SWR4 Abendgedanken

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03AUG2021
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Arm in Arm. Zwei Frauen, die sich stützen. Mitten in den Trümmern, die das Hochwasser zurückgelassen hat. Eine Ministerpräsidentin, die sich beim Gehen schwertut. Eine Bundeskanzlerin am Ende ihrer Amtszeit. Was für ein beeindruckendes Bild. Mir hat das Trost gespendet, weil es nicht viel Schöneres gibt, als wenn Menschen miteinander liebevoll umgehen. Das braucht es überall: Dass wir uns als Menschen zeigen und zeigen dürfen. Als Menschen, die nicht immer alles können, die manchmal nicht weiter wissen und unter der Last stöhnen, die uns auf den Schultern liegt. Das braucht es gerade auch in der Politik. Dass die mächtigste Person im Staat das zeigt, in aller Öffentlichkeit, dass es für sie selbstverständlich zu sein scheint, das imponiert mir. Und es lässt mich auch auf anderes in Merkels langer Amtszeit zurückblicken. Wo sie menschlich reagiert hat. Ohne Taktik und das kalte Kalkül der Zahlen. Da war ich als Christ froh, dass sie unsere Regierungschefin war.

Ich denke in erster Linie an die Entscheidung vom Frühjahr 2015, als sie die Grenzen unseres Landes für die Geflüchteten aus Syrien geöffnet hat. Sie konnte nicht lange überlegen, abwägen und prüfen. Die Not war so groß, die Lage so angespannt, dass sie sich entscheiden musste. Ja, die Leute sollen kommen, wir schaffen das. Es ist unsere mitmenschliche Pflicht, dass wir als reiches Land mit denen teilen, deren Leib und Leben in Gefahr sind. Ich weiß, dass diese Entscheidung bis heute umstritten ist. Aber als Christ sage ich: Dass hätte Jesus auch so gewollt und für richtig gehalten. Und deshalb war es mutig von unserer Kanzlerin und ich bin als Deutscher stolz, dass sie dabei so konsequent gewesen ist.

Und auch was die Corona-Politik angeht, bin ich froh, dass wir eine Frau wie sie an der Spitze unserer Regierung haben, die klug ist und weitsichtig ist, vor allem aber eines: so sachlich und uneitel. Ich finde überhaupt, dass das einer ihrer wesentlichen Charakterzüge ist. Es geht ihr wenig um die eigene Person; sie drängt sich nicht nach vorne. Es geht ihr um die Sache. Und wenn sie einen Fehler macht - was ja jedem passiert und in einer Krisenzeit erst recht - dann kann sie das zugeben, sich entschuldigen und eine getroffene Entscheidung revidieren. Das imponiert nicht nur mir. Bei ihrer letzten Regierungserklärung haben ihr deshalb Vertreter aller Parteien - eine ausgenommen - Respekt gezollt und sich bei ihr bedankt.

So sind es zuletzt weniger einzelne Entscheidungen, die mir im Gedächtnis bleiben, sondern es ist ihre menschliche Haltung, die mich beeindruckt. Und was wahrhaft menschlich ist, das ist auch in Wahrheit christlich. In diesem Sinne: Danke! Und: Alles Gute, Frau Merkel!

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