SWR4 Abendgedanken

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11MAI2021
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Diesen Spruch kenne ich aus Kindertagen. Gemeint ist damit: das will ich nicht haben! Dem stimme ich nicht zu!

„Das kommt mir nicht in die Tüte“ geht vielleicht zurück auf die Zeit der Tante-Emma Läden, als die Einkäufe noch in der Papiertüte verstaut wurden.

Dann kam die Zeit der Selbstbedienungsläden und damit der Plastiktüten – Tüten bekamen ein schlechtes Image.

Aber wenn es vom letzten Jahr außer den Masken ein Bild gibt, das sich mir eingeprägt hat, dann ist es das Bild der gefüllten Tüte.

Da gab es die ersten Tüten für die Kommunionkinder: liebevoll zusammengestellt mit den Unterlagen zur Erstkommunion, einer Bastelanleitung, einer Kerze zum Selbstgestalten, einer Spielanregung.

Die Erzieherinnen in den Kindergärten haben Tüten gepackt mit Spielen, Ausmalbildern und einer Ermutigung für die Eltern.

Zu Karneval gab es Überraschungstüten, die die Karnevalsvereine ihren Mitgliedern vor die Tür gestellt haben.

Eine Idee, die mich besonders berührt hat, ist eine Tüte anstelle des  Beerdigungskaffees. Da wir uns ja nicht mehr nach der Beerdigung treffen dürfen, um einander zu trösten und Erinnerungen auszutauschen, gab es auf einer Beerdigung für jeden Besucher Trauerkaffee to go: ein Bild des Verstorbenen, ein Gebet, ein Stück Kuchen, ein Päckchen löslichen Kaffee. Auch das hält die Verbindung miteinander lebendig!

Und die Tüten zu Ostern: die haben wir in diesem Jahr zum zweiten Mal gepackt. Es gibt immer noch viele Menschen, die nicht in die Kirche gehen können und so haben sie eine Ostertüte bekommen: Ein Osterlicht, eine Osterkarte und  einen Palmzweig.

Unser Leben in Tüten!

Und im letzten Jahr haben wir so vieles, was uns wichtig ist, in Tüten gepackt.

Und jede Tüte wurde mit viel Liebe und Aufwand gepackt. Das macht sie wertvoll. Jede Tüte, die vor die Tür gestellt oder abgegeben wird, macht deutlich:  da denkt jemand an mich, da hat sich jemand Zeit genommen, auch wenn er mich nicht besuchen darf. Und die Beschenkten spüren: Da verbindet uns das gleiche Anliegen, das gleiche Fest.

Die Wirkung dieser Tüten ist nicht zu unterschätzen: durch sie sind wir in Verbindung geblieben, in der Schule, in der Nachbarschaft, im Verein, auch in der Kirche.

Und wenn Jesus eine Tüte gepackt hätte als Proviant für seine Jünger, was hätte er wohl reingepackt?

Ich weiß es nicht. Aber vielleicht ein gutes Wort, eine Ermutigung für jeden Tag, eine Pause zum Atemholen, eine Prise Gottvertrauen und viele kreative Ideen um mit lieben Menschen in Kontakt zu bleiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33114
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