SWR1 Begegnungen

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Ich möchte Ihnen heute Irmgard Weth vorstellen. Sie kann etwas, was viele von uns vielleicht gern können würden, grade an Weihnachten, und uns nicht trauen: Sie erzählt leidenschaftlich gern, vor allem Geschichten aus der Bibel. Weil ihr das sehr am Herzen liegt.
Was feiert ihr an Weihnachten? Wollen wir da nur sagen, wir feiern die Weihnachtsmänner, Coca-Cola Weihnachtsmänner? Ist das unsere Botschaft? Wir haben die große Chance, Menschen etwas weiter zu geben von den Hoffnungsgeschichten der Bibel.
Damit jeder und jede das kann, hat Irmgard Weth eine Kinderbibel geschrieben. Eine der meist verkauften, übrigens.

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Neukirchener Kinderbibel



Die Kinderbibel zu schreiben hat ihr Freude gemacht. Aber ich glaube, noch lieber erzählt Irmgard Weth. Und das nicht nur, weil ihre Augen nicht mehr die besten sind. Wenn sie erzählt, ist diese Frau Anfang 60 in ihrem Element. Vielleicht liegt das auch daran, dass sie immer Kinder und junge Leute um sich hatte. Als Mutter von vier Kindern und im Beruf: Als Religionspädagogin für die belasteten Kinder in den Neukirchener Heimen und als Dozentin. Im erzählen steckt Leben für sie:

Für mich sind Erzählungen seit der Kindheit, das was mich geprägt hat. Ich habe in den Erzählungen gelebt, in den mündlichen, in den freien Erzählungen. Das war der Ort, wo ich mit lebte, wo ich gleichzeitig wurde mit den Menschen der Bibel und mit ihnen lebte, ganz konkret.

Irmgard Weth findet es schade, das Kindern heute nicht mehr so viel erzählt wird. Denn für sie passiert beim Erzählen und lauten Vorlesen von Geschichten, gerade auch von biblischen Geschichten, etwas ganz Wichtiges.

Der Text wird im vorlesen eben Stimme und nicht nur Buchstabe und ich stelle mich dieser Stimme, gemeinsam mit anderen, und werde hinein genommen in eine Erzählgemeinschaft.

In den biblischen Geschichten stecken Leben und Glaube von Menschen, die vor uns gelebt haben und davon spürt man mehr, wenn man was hört. Und man kann aus ihnen sogar Gottes Stimme hören.
“Gottes Stimme“, wenn Sie oder ich vorlesen? Aber davor muss einem nicht bange werden. Im Gegenteil, meint Irmgard Weth.

Ich würde vor allem Mut machen, nicht eine – wie immer auch geartete Perfektion- zu suchen, sondern schlicht anzufangen. Schlicht anzufangen, heißt mich erst selbst betreffen zu lassen, das ist die Voraussetzung fürs eigene erzählen wie auch für vorlesen.

Ihr Rat: Anfangen mit den Geschichten, in denen man für sich selbst was findet: Was einem wichtig ist. Und nicht meinen, dass man die Geschichten erst kindgerecht machen muss. Im Gegenteil: Mit ihrer Kinderbibel will sie den Spieß sogar herumdrehen:

Kinderbibel, der Name heißt eigentlich, dass wir alle wieder werden können und dürfen wie Kinder: Insofern war die Bibel gedacht generationenübergreifend. Dass Ältere, Großeltern, Eltern, oder solche, die schon lang nicht mehr in der Bibel gelesen haben, wieder ganz an die Anfänge zurück gehen dürfen wie Kinder und sich hineinlesen in die Botschaft der Bibel in Form von Erzählungen.

„Werden wie die Kinder“ das heißt nicht kindisch werden, sondern aufmerksam und staunen, wie viel Leben in der Bibel steckt.

Es ist ein Hoffnungspotential, dass wir uns nicht im Diesseitigen einfach verlieren müssen, dass wir Zukunft haben.

Darum ist sie dafür, auch nichtchristlichen Kindern im Kindergarten die Bibel nicht vorzuenthalten. Und sie erzählt von Ismael, einem muslimischen Jungen in einem Kinderheim, der ihre Kinderbibel auf einmal durchgelesen hat.

Und dann war er nachher ganz stolz. In seiner Bibel steht der Name Ismael. Die Muslime kommen ja als Abrahamskinder in der Bibel vor. Und er war stolz, weil er wusste: Ich bin so wichtig.


Bibelübersetzungen gibt es viele. Und noch mehr Kinderbibeln. Worauf ist es Irmgard Weth besonders angekommen? Was macht eine Kinderbibel aus? Ist das eine Bibel light, in der man einfach viele Geschichten weg lässt oder für Kinder ummodelt?

Die wichtigsten Geschichten etwa wie die Kreuzigungs- oder Ostergeschichten haben eine ganz bestimmte Form und wir können sie nicht einfach – meinte ich – beliebig umwandeln. Und das war für mich dann eine viel zu hohe Aufgabe, vor allem wenn ich dann an die Kinder unserer Zeit dachte, oder an die Menschen unserer Zeit, für die ja diese einfache, elementare Sprache der Bibel eigentlich eine Fremdsprache ist.

Bibel - für Kinder von heute. Ihr Ziel ist, beiden gerecht zu werden.
Mit diesen Mitteln hat sie es versucht:
Möglichst einfach schreiben.
Nah am Wortlauf der Bibel bleiben. Die Geschichten nicht dramatisch ausschmücken. Sondern darauf vertrauen, dass sie genug Leben in sich haben.
Einfach, das heißt auch: Jede Zeile soll nur eine wichtige Information enthalten, nicht mehr. Keine komplizierten Worte.
Aber auch: Nicht nur einzelne Geschichten herausgreifen, sondern so erzählen, dass der große Zusammenhang von der Schöpfung bis zum Ende erhalten bleibt. Und auch schwierige Geschichten wollte Irmgard Weth nicht auslassen:

Ich halte für eine der größten Gefahren unserer Zeit, dass wir meinen, Kinder würden danach fragen wollen, dass wir besonders peppig und lebendig seien usw. Aber wir dürfen eben diese Räume der Stille, Räumer der Ehrfurcht aushalten, weil genau das ist, was Kinder suchen. Wo sie auf die Grundfragen ihres Lebens kommen: Woher komme ich, wohin geh ich, und wer ist für mich da?

Solche Fragen brauchen geschützte Räume und Ruhe. Deshalb mahnt sie:

Die Bibel will lauschend gelesen werden. Dass wir sie fast wie eine liturgische Sprache lesen aber nicht als eine heilige Sprache, sondern ganz im Profanen sehen, dass der Alltag geadelt wird durch die verborgene Gegenwart Gottes.

„Der Alltag wird geadelt durch die Gegenwart Gottes.“ Schön, der Satz. Noch besser, wenn man das beim hören der Bibel auch spürt.
Damit das vielleicht möglich wird, hat Irmgard Weth ihre Kinderbibel auch als Hör-Bibel umgesetzt. Zusammen mit Hans Jürgen Hufeisen und Landesbischöfin Margot Käßmann.

Im Norden von Israel liegt die kleine Stadt Nazareth. Dort lebte zur selben Zeit ein Verwandte von Elisabeth, Maria mit Namen. Sie war noch sehr jung und war verlobt mit einem Mann namens Josef. Eines Tages aber geschah etwas Unglaubliches. Maria war allein zu Hause. Plötzlich hörte sie ein Stimme: Sei gegrüßt Maria, Du gesegnete. Der Herr ist mit Dir. Erschrocken sah Maria auf. Ein Engel war bei ihr, der blickte sie freundlich an.

„Ein Engel blickt sie freundlich an.“ -- Ich wünsch Ihnen einen schönen 3. Advent. https://www.kirche-im-swr.de/?m=329
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