Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04MRZ2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Der Glaube an Gott kostet auch was, daran haben mich meine Schüler neulich erinnert.

Im Religionsunterricht war die Geschichte von Jesus und Zachäus dran (Lukas 19,1-10): Zachäus war ein Zolleinnehmer aus Jericho, den alle in der Stadt verachtet haben. Zachäus hat nämlich mit den Römern – der verhassten Besatzungsmacht – zusammengearbeitet. Und er ist durch Betrug und Erpressung reich geworden. Ausgerechnet bei diesem Zachäus lädt sich Jesus zum Abendessen ein. Die Leute sind empört. Aber Zachäus freut sich so sehr über den Besuch von Jesus, dass er verspricht: „Die Hälfte von meinem Besitz spende ich den Armen. Und wenn ich jemanden betrogen habe, gebe es ich ihm vierfach zurück“.

Am Ende der Schulstunde sollten die Schüler einen Dialog schreiben. Ein Gespräch zwischen diesem Zachäus und einem Blinden, den Jesus an anderer Stelle geheilt hat. Die Siebtklässler sollten sich überlegen: Was haben sich der Blinde und Zachäus wohl gegenseitig erzählt über ihre Begegnung mit Jesus?

Ein Dialog, den sich zwei Schüler ausgedacht haben, hat mir besonders gefallen. Der ging etwa so – zuerst spricht der Blinde - : „Hallo Zachäus, stell Dir vor, was ich mit Jesus erlebt habe. Ich war doch blind, dann habe ich Jesus getroffen, und jetzt kann ich wieder sehen!“ Zachäus antwortet. „Bei mir war‘s so: Ich war zuerst reich, dann habe ich Jesus getroffen, und jetzt bin ich arm“. – Wir haben alle laut gelacht.

Im Nachhinein hat mich dieser lustige Dialog zum Nachdenken gebracht. Bisher stand für mich bei der Geschichte die Freude von Zachäus im Vordergrund. Dass Zachäus weit über die Hälfte von seinem Besitz weggeben hat, hat für mich keine besondere Bedeutung gehabt.

Meine Schüler haben mich daran erinnert, dass die Begegnung mit Jesus den Zachäus auch etwas gekostet hat. Ich weiß nicht, ob Zachäus danach tatsächlich arm war. Aber über die Hälfte von seinem Vermögen herzugeben, das ist schon was. Und ich frage mich, was ich wohl an seiner Stelle getan hätte.

Und ich habe neu gelernt: Der Glaube an Gott spielt sich nicht nur im Innern eines Menschen ab. Er  hat auch Folgen im Alltag und für andere. Dass sich Zachäus durch die Begegnung mit Jesus verändert hat, das hat er nicht in seinem Herzen behalten. Das haben alle in Jericho erfahren. Vor allem die Armen haben das gespürt und die, die Zachäus betrogen hatte.

Aber meine Schüler liegen dann doch nicht ganz richtig, glaube ich. Zachäus hat durch Jesus zwar viel Geld verloren aber trotzdem ist er reicher geworden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32673
weiterlesen...