SWR3 Gedanken

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09FEB2021
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Ich hatte Thorsten schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Zufällig dann vor ein paar Tagen. „Wie geht’s?“ „Was machen die Kinder?“ Und dann fiel mir siedendheiß ein, dass seine Frau doch hochschwanger war. Also ich höfflich nachgefragt. Thorsten antwortet, ja, im Sommer ist sie auf die Welt gekommen, eine kleine Johanna.

Aber plötzlich wird Thorsten ganz still. Es gab Komplikationen bei der Geburt, fängt Thorsten langsam an, sie konnte nicht selbstständig atmen und schlucken auch nicht…

Und dann erzählt Thorsten von Ärztinnen und Ärzten, von Untersuchungen und Diagnosen, von Säuglingsstationen und Kinderkrankenhäusern, von Ängsten und von Hoffnungen, davon, dass er nicht weiß, wie es weitergeht, ob Klein-Johanna weiterlebt oder nicht und was das für sein Leben und das Leben seiner Frau und der beiden anderen Kinder heißt. Thorsten erzählt, dass er abends, nach Feierabend immer zuerst zu ihr fährt, zur zu kleinen Johanna ins zu große Krankenhaus, wie er neben ihrem Bett-Kasten sitzt, mit Maske und allem - und wie er singt, er singt für sie und für sich, jeden Abend dasselbe Lied.

Das Lied hat 1944 der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer geschrieben. Die Nazis hatten ihn ins Gefängnis gesteckt und Bonhoeffer wusste nicht, wie es für ihn weitergeht: Würde er die Zeit im Gefängnis überleben? In dieser Situation schreibt Bonhoeffer das Lied.

Das Lied, das Thorsten jeden Abend seiner kleinen Johanna singt:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiß an jedem neuen Tag.“

https://www.youtube.com/watch?v=aN7dGz6NH5M

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32536
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