SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

23DEZ2020
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Dieses Jahr habe ich mir selbst einen Adventskalender geschenkt. Und der tut mir richtig gut. Mein Adventskalender ist nicht voll mit Schokolade oder verpackten Kleinigkeiten. Sondern es ist ein sogenannter Dankbarkeits-Adventskalender. Dazu habe ich mich von einer jungen Theologiestudentin aus dem Internet inspirieren lassen. Sie hat vorgeschlagen, jeden Tag im Advent etwas, für das ich dankbar bin, auf einen Zettelschreiben.

Dieser Dankbarkeits-Adventskalender hatte mich erstmal nicht so recht beeindruckt: Ich konnte mir Ende November noch so gar nicht vorstellen, wie ich dieses Jahr überhaupt in Weihnachtsstimmung kommen soll. Mit all den Beschränkungen und Regeln, ohne die Großfamilie – für was soll ich da schon dankbar sein. Ich bin genervt von diesem Jahr. Aber die Idee hat mich dann doch nicht so recht losgelassen. Deshalb saß ich dann pünktlich zum 1. Dezember an meinem Schreibtisch über meinem Blöckchen. So wie die folgenden Tage auch. Bis heute. Und die Zettel hängen mittlerweile alle über meinem Schreibtisch. Der erste ist für meine Oma. Weil ich dankbar bin, eine Oma zu haben, die über 90 Jahre alt ist und ihr Leben genießt, so wie es grad kommt. Auf einem steht Schnee – auch wenn‘s nur kleine Schneeflocken hier in Stuttgart sind. Und der Tannenbaum voller Lichter, den ich von meinem Schlafzimmer aus sehen kann. Und an einem Tag waren es die Kopfschmerztabletten und mein Kopfkissen, weil mir alles zu viel wurde und ich froh war, endlich die Augen zumachen zu können. Wieder an einem anderen der Spaziergang im Wald mit meiner Freundin. Manchmal reicht ein Zettel gar nicht aus, weil es so viele Dinge gibt, für die ich dankbar bin; und dann gibt es Abende, da muss ich länger graben, weil‘s mir echt schwer fällt, dankbar zu sein.

Aber was mir definitiv nicht mehr passieren wird: Dass mir gar nichts einfällt. Denn die Wand über meinem Schreibtisch ist voll tapeziert mit Zetteln, die mir zeigen, dass es so viel gibt, wofür ich dankbar sein kann – und wenn es nur meine Lieblingsmusik ist, die am Ende des Tages erholsam war.

Heute schreibe ich auf meinen Zettel: Ich bin dankbar, morgen Heilig Abend zu feiern, dass Gott in diese Welt kommt. Ich weiß nicht, ob ich mich selbst freiwillig in diese verrückte Welt gesetzt hätte – aber ich bin Gott dankbar dafür. Und dafür, dieses Leben leben zu dürfen.

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