SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

01JAN2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Am Neujahrsmorgen liegt das neue Jahr wie ein leeres Buch vor uns. Gewiss, manches nehmen wir aus dem alten Jahr mit herüber. Wer den Jahreswechsel zum Beispiel in einer Klinik erlebt, für den wirkt dieses Datum selbst wahrscheinlich weniger einschneidend. Da wird der Tag der erhofften Genesung und Entlassung das ereignisreichere Datum sein.

Und so mancher Terminkalender hat sich für das Jahr 2021 bereits gut gefüllt. Da wirkt das neu aufgeschlagene Jahresbuch gar nicht so leer. Immerhin gibt es so manche Planvorhaben, die auf den einzelnen Seiten vermerkt sind.

Freilich, mit Plänen ist das so eine Sache, wie das zurückliegende Jahr lehrt. Sie sind nicht in Stein gemeißelt, sondern mit Bleistift geschrieben – und für Korrekturen hoffentlich offen. Da muss ausradiert, überschrieben, umgeplant werden.

Wenn ich mir das neue, heute noch offen vor mir liegende Jahr als ein Notiz- oder Skizzenbuch vorstelle, dann stellt sich die Frage: Wie werde ich dieses Jahresbuch be-schreiben – im buchstäblichen Sinn? Was wird tatsächlich eingetragen werden auf diesen heute noch leeren Seiten meines Buchs; sozusagen Tag für Tag?

Manche Bücher haben am Beginn ein Widmungsblatt. Da ist die erste Seite – noch vor der Inhaltsübersicht und dem ersten Kapitel, vor einem Vorwort oder Prolog – mit einer Widmung versehen. Wenn ich ein neues Buch in den Händen halte, lese ich gerne auch solche Widmungen. In der Regel sind es wichtige Menschen im Leben des Autors oder der Autorin, denen die Widmung gilt: Ehepartner, Eltern, Kinder, Enkel oder Freunde…

Ich stelle mir also die Frage: Was schreibe ich auf die erste Seite meines neuen Jahresbuchs? Ist da vielleicht Platz für eine Widmung? Sozusagen ein kurzes Innehalten, bevor es so richtig losgeht. Und wem widme ich diesen besonderen Platz und damit mein neues Jahr?

Der Widmungseintrag für mein neues Jahr könnte natürlich einem oder mehreren Menschen gelten, die in meinem Leben eine besondere Rolle spielen. Ich möchte aber noch eine andere Widmungsidee bedenken: Wie wäre es, wenn ich mein neues Jahr Gott widmete?

Ich kann mir heute Morgen, am Beginn eines neuen noch unbeschriebenen Jahres vorstellen, dass ich es in einer besonderen Weise Gott widme. Das meine ich jetzt nicht einmal so, dass ich mein Leben mit seinen Möglichkeiten in den Dienst Gottes stelle. Das wäre zwar auch eine Widmungsidee, aber was mir vorschwebt, ist weitaus niederschwelliger.

Am Beginn dieses neuen Jahres breite ich das, was da offen vor mir liegt, vor Gott aus und lege es ihm hin. Ich vertraue mich und die unbeschriebenen Seiten meines Jahresbuches 2021 Gott an. Ich weiß ja nicht, was kommen wird. Das Leben ist unverfügbar. Ich kenne vielleicht manche kurzfristige Perspektive, habe Pläne und Erwartungen. Es gibt Wünsche, vielleicht auch Vorsätze im Blick auf das neue Jahr. Doch heute ist das wie ein Lufthauch in mir. Was tatsächlich daraus wird, wird sich weisen. In dieser Ungewissheit will ich mich aber nicht von Sorgen und Ängsten bestimmen lassen, sondern schaue im Vertrauen auf Gottes Begleitung in meine unverfügbare Zukunft.

Die Widmungsseite meines neuen Jahresbuches möchte ich darum mit Gottvertrauen füllen – oder anders gesagt, ich schreibe auf ihr ein Gebet nieder. Es könnte zum Beispiel so lauten: „Gott, ich weiß nicht, was das kommende Jahr für mich und meine Familie bereithält, für meine Freunde, für dieses Land, diese Welt. Aber ich lege es in deine Hände, mit allen Plänen, die ich mache. Wo sich etwas von meinen Vorhaben und Erwartungen realisieren lässt, da will ich dankbar sein, und wo ich enttäuscht werde, da gib du mir die Kraft, diese Enttäuschungen auszuhalten und zu tragen.“

Vielleicht lässt sich ein Jahr, das mit einer solchen Widmung eröffnet wird, entspannter und sorgenfreier angehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32252
weiterlesen...