SWR2 Wort zum Tag

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31DEZ2020
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Zum Jahresende gibt es Rückblicke allenthalben: im Fernsehen, in Zeitungen, in Kabarettsendungen… Sie enthalten das, was das gesellschaftliche, das öffentliche Leben betrifft. Ich selbst komme dabei nur am Rande vor, als Randfigur sozusagen. Da ist es gut, den allgemeinen Rückschauen eine ganz persönliche beizulegen: Woran denke ich, wenn ich auf die letzten zwölf Monate zurückblicke?

Das Jahr 2020 hat so gut wie nur ein Thema: die Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen und Folgen. Daran kommt auch mein persönlicher Jahresrückblick nicht vorbei. Wenngleich es einen für mich vergleichsweise unbeschwerten Sommer gab, in dem Corona schon fast wieder an den Rand gedrängt schien – im Mittelpunkt meiner Rückschau stehen Erfahrungen mit Verlusten, mit Beschränkungen, mit Verzicht.

Zwar blieben meine Familie und ich von Todesfällen in Zusammenhang mit Corona verschont, doch lang geplante Familienfeiern mussten abgesagt oder verschoben werden. Bei runden Geburtstagen im hohen Alter ist das schon ein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Unmöglich in den schwersten Wochen des Jahres war auch der Zugang zu meinen beiden alten Eltern: Besuchsverbot in der Klinik oder im Pflegeheim. Da wird der Telefonkontakt – wenn überhaupt möglich – zum schwachen Ersatz.

Vermisst habe ich so manchen Besuch bei den Enkeln – und ich merke: Monate ihrer Entwicklung gehen dahin, ohne dass ich daran direkt teilhaben könnte. Demgegenüber empfinde ich ausgefallene Kulturereignisse als nicht so gravierend, doch auch sie fehlen mir mehr und mehr.

Das Jahr 2020 – ein Jahr der Defizite? Am Ende nur Wehmut, Schmerz oder Sehnsucht? Ich habe in diesem Jahr auch eine andere Seite des Lebens für mich wieder neu entdeckt: die Enthaltsamkeit. Fast schon vergessen, dass es das auch einmal gab: Fastenzeiten als Zeiten des bewussten Verzichts. Und Verzicht kann man auch dann bewusst üben, wenn er nicht freiwillig geleistet, sondern einem abverlangt wird.

Die Erfahrungen, die ich dabei machen konnte, lassen sich für mich so beschreiben: Es ist nichts selbstverständlich im Leben. Das, was es gibt, was möglich ist, lässt sich neu schätzen lernen. Gerade dort, wo es einmal fehlte. Ich habe für mich neu gelernt, das Leben mit seinen Möglichkeiten dankbar anzunehmen – als Gabe aus Gottes Hand.

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