SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

26NOV2020
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Herztöne. So heißt ein kleines Buch, das Martin Schleske geschrieben hat. Er ist Geigenbaumeister. Und Gottesredner. Beides auf feine und intensive Art und Weise. Das bemerkt man schnell, wenn man die Texte des Bändchens liest. Er versteht sein Tun als „Übungen des hörenden Herzens“, wie er wörtlich sagt. So ein hörendes Herz ist für ihn notwendig. Damit seine Instrumente gut klingen. Damit seine Texte den Leser erreichen.

Mich beeindruckt, wie Martin Schleske diese beiden Bereiche miteinander verbindet: seinen Beruf und seinen Glauben. Das Bauen von Geigen und das Schreiben über Gott. Für ihn gibt es da keine Trennung. Im Gegenteil sieht er das unbedingt miteinander verbunden. Wenn er mit seinen Werkzeugen an einem Instrument arbeitet, dann verbindet ihn das unmittelbar mit dem Schöpfer. Wörtlich sagt er an einer Stelle: „Wenn das Werkzeug stumpf ist, nützt es nichts, mehr Kraft aufzuwenden oder um himmlischen Segen zu bitten. Man muss es schärfen. Der Unterschied besteht nicht darin, dass die einen stumpf werden und die anderen nicht, sondern darin, dass die einen sich schärfen lassen und die anderen nicht. Vollkommen zu sein bedeutet nicht, dass du nicht stumpf wirst, sondern dass du dich schärfen lässt.“[1]Auch wenn das Wort GOTT gar nicht auftaucht. Die Übertragung ist einfach: Ich bin das Werkzeug in der Hand Gottes. Er ist der Schöpfer, ich sein Geschöpf. Ich muss nicht perfekt sein. Das könnte ich gar nicht. Aber zu etwas nütze - für die Welt, dort, wo Gott mich gebrauchen kann - bin ich nur, wenn ich mich immer und immer wieder in SEINE Hand lege.

Es sind diese kleinen genauen Beobachtungen, die es auf den Punkt bringen. Was Martin Schleske beim Arbeiten passiert, überträgt er auf Gott und den Menschen und die Beziehung zwischen beiden. Funktionieren kann das nur, wenn er aufmerksam ist, also gut hört. Nicht nur mit den Ohren, die das wahrnehmen, was um ihn herum geschieht. Den Ausschlag gibt sein Inneres, sein Herz, seine Seele - die muss bereit sein für die zarten Töne, mit denen Gott in unserer Welt anwesend ist.

Ich bin überzeugt: Das kann jedem gelingen. Nicht nur einem Geigenbauer.

 

[1]Martin Schleske, Herztöne, Asslar 2018, 29.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32080
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