SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

24OKT2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein weißer Schlitten – als Umrahmung angedeutet. Und darin ein Sammelsurium an Gegenständen: Kinderspielzeug. Eine Matratze. Büromaterial. Blumen. Elektrogeräte. Ich hab‘ so schnell gar nicht alles aufnehmen können, was da in den Bauch des Schlittens hineingestopft war.

 „Aufbewahrungsort der Erinnerungen“ hat der Künstler Walter Libuda diesen Objektkasten genannt. Er hat viele solcher Objektkästen gestaltet. Aber dieser eine hat sich in mein Gedächtnis besonders eingeprägt.  Dieser Schlitten, in dem vieles aufbewahrt wird, was ein Mensch auf seiner Lebensreise ansammelt und mitschleppt.

Interessant, dass es ein Schlitten ist. Vielleicht, weil ich den mit eigenen Kräften ziehen muss. Für mich bringt dieser Schlitten mit den Erinnerungen auch zum Ausdruck: Das alles geht in einem mäßigen Tempo vonstatten. Und es ist durchaus auch etwas romantisch. Dieser Schlitten der Erinnerungen ist ein bergender Ort. Keine Entsorgungsmüllabfuhr.

Ich habe mir dann schon überlegt: Wie wäre das, wenn ich unter meinen Erinnerungen auswählen könnte. Mitnehmen würde ich vor allem die Erinnerungen an Wegstrecken und an Ereignisse, bei denen ich etwas gelernt habe. In denen ich gereift bin. Beladen wird dieser Schlitten ja seit meiner Kindheit. Das Aufwachsen in meiner Herkunftsfamilie. Eltern. Geschwister. Schule. Beruf. Längst auch die eigene Familie. Freundschaften. Der ganze Wust von Veränderungen in meinem Leben. Auch wenn ich auswähle: Irgendwann wird es dann doch zu viel. Der Schlitten, so sorge ich mich, ist irgendwann überladen. Dagegen muss ich etwas tun.

Im Herausgehen aus der Ausstellung fällt mir dieser Satz des Paulus ein: „Prüft alles. Was für euch gut ist, das behaltet!“ (1. Thess. 5,21) Lebensweisheit steckt da drin. Und die Gewissheit, dass das auch geht. Darauf zu vertrauen, dass manche Erinnerung einfach verblasst. Oder dass die eine durch eine andere ersetzt wird. Erinnerungen gibt es auch, die kann ich einfach ablegen. Und loswerden. In einem guten Gespräch. Oder indem ich sie Gott vor die Füße lege. Oder besser noch: ans Herz. Anders, das wird mir mit einem Mal klar könnte ich gar nicht leben.

Am Ende gehe ich beflügelt davon. Ich schaffe es also, immer neu Platz zu schaffen im Aufbewahrungsort meiner Erinnerungen. Um befreit meinen Schlitten weiter durchs Leben zu ziehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31899
weiterlesen...