SWR3 Gedanken

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Thomas sitzt in der S-Bahn. Sein Handy vibriert. Die SMS lautet: „Thomas, was passiert eigentlich mit den verpassten Chancen im Leben?“ Ich finde, ein etwas ungewöhnlicher Text für eine SMS. Nicht aber Thomas. Er bekommt solche SMS mehrmals täglich. Denn er ist SMS-Seelsorger.
Die SMS-Seelsorge hat sich aus der Telefon-Seelsorge entwickelt. Vor neun Jahren hat ein Schweizer Pfarrer damit angefangen, als erster auf der Welt. Seitdem wurde die Idee in vielen Kirchen übernommen.
Die meisten SMS-Fragen kommen von jungen Leuten zwischen 10 und 35 Jahren. Und die wollen keine Kirchenpredigt, sondern kurze und knackige Antworten. Genau darin besteht die Herausforderung für Seelsorger wie Thomas.
Auf komplexe Fragen möglichst kurz antworten. Das ist übrigens eine Tugend der buddhistischen Mönche. Aber in kirchlichen Kreisen werden die SMS-Seelsorger genau deshalb kritisiert: Mit 160 Zeichen eine theologisch fundierte Antwort geben. Das ist doch nicht möglich. Außerdem ist das Simsen doch viel zu unpersönlich!
Gerade darin sieht Thomas aber den Vorteil. Viele Menschen möchten gern anonym bleiben. Denn hier kann ich viel unbefangener darüber reden, was mich bedrückt. Die Katholische Kirche kommt diesem Bedürfnis im anonymen Beichtstuhl ja auch entgegen.
Eigentlich entspricht das Simsen einem uralten Traum: Gedanken übertragen. Geistesblitze austauschen über große Strecken hinweg. Seit neun Jahren nun schwirren neben Nichtigkeiten, Verabredungen und Liebesschwüren auch noch andere Dinge durch die Luft: Ermutigungen, kleine Weisheiten und tröstende Worte der SMS-Seelsorger.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3069
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