SWR2 Wort zum Tag

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05FEB2020
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Auch im spirituellen Bereich gibt es Billigware und Vollwertkost, aber schnell geschriebene Ratgeber helfen nicht weiter. Deshalb tut es  gut, über den Tellerrand jetziger Angebote hinaus zu schauen und sich an große Lebenslehrerinnen und –lehrer zu erinnern. Das Werk von Alfred Delp ist da eine Fundgrube, besonders die Gefängnisaufzeichnungen dieses Jesuiten. Schon die Niederlage vor Augen, haben ihn die Nazis am 2. Februar 45 hingerichtet, vor einigen Tagen also hatte sich sein 75. Todestag gejährt. Alfred Delp gehört zu unseren Vorfahren, die für ein gerechteres Deutschland nach Hitler kämpften und dafür ihr Leben ließen. Zu seinen Waffen gehörten nicht nur Denken und Schreiben, sondern Beten. Das wurde sogar die Quelle und Mitte seiner Widerstandskraft. Delps Auslegung des Vaterunsers z.B., nach der Verurteilung zum Tod geschrieben, ist spirituelle Vollwertkost.

„Dein Wille geschehe“ - eine Bitte, die wohl jedem zu schaffen machen kann. In Delps schier auswegloser Lage ist sie doppelt brisant. Was ist denn Gottes Wille? Und ist es wirklich Er, der in solch kritische Situation führt wie z.B. Delp ins Gefängnis und an den Galgen? Soll das noch ein guter Gott sein, dem man vertrauen könnte? Ist es nur ein böses Schicksal oder Scheusal? Immerhin beginnt das Gebet ja mit der zärtlichen Anrede „Vater“, Papa, also voll Vertrauen. Delps Kommentar ist umwerfend, mit gefesselten Händen schreibt er: “Dies ist die Bitte des Menschen um seine Freiheit.“ Delp ist auch angesichts des Todes überzeugt:  Die Begegnung mit Gott knechtet nicht, sein Wille hat keine Kommandostruktur, Gott ist kein Pascha oder Diktator. Mitten im Gefängnis und angesichts des Todes kommt bei Delp definitiv zum Vorschein, was ihn zeitlebens schon umtrieb: wie wird der Mensch frei? Wie wird aus dem Mitläufer und Kopfnicker der widerstandsfähige, aufrechte und aufrichtige Mensch? Delps Antwort: nur in der Begegnung mit Gott und in Beachtung seines Willens. Denn der hat nicht Unterwerfung im Sinne, der sucht Partnerschaft und freie Zustimmung.  Gottes Wille ist sein Wohlwollen – so wie liebende Menschen zueinander sagen: ich will nicht dies und das, ich will dich, nur dich.  Genau davon erzählt das Vaterunser im Blick auf Jesus, genau dazu lädt es ein. Delp bezieht daraus seine Kraft bis in den Tod, und so bleibt er ungebrochen. Sein Text und sein Leben stimmen zusammen, wirklich Vollwertkost. Gott liebt niemanden mehr als den wirklich selbstbewussten und freien Menschen. Dass uns solches Vertrauen entgegenkommt, macht frei.

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