SWR Kultur Wort zum Tag

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Sie muss etwas von Greta Thunberg gehabt haben, der jungen schwedischen Öko-Aktivistin. Jedenfalls wusste auch die junge Katharina, jüngstes von 22 Geschwistern eines Wollfärbers aus Siena im 14. Jahrhundert, sehr früh, was sie wollte. Unerschrocken setzte sie sich z.B. dem damals üblichen Heiratsdruck entgegen, sie wusste sich von früh an von Christus ergriffen und wollte ihm allein dienen. Der aber machte sie zu einer leidenschaftlichen Friedenspolitikerin im zerrissenen Italien. Mit glühender Gottesleidenschaft diktierte sie ihre Brandbriefe  für Versöhnung  z.B. nach Florenz oder Arezzo -  wohlgemerkt eine nichtstudierte Frau, aber geistig hellwach, schnell im Bilde und von unwiderstehlicher Leidenschaft.

„Seien Sie kein Säugling, seien Sie ein Mann“ – schrieb sie an den Papst in Avignon. Er solle endlich aus dem französischen Exil wieder nach Rom zurückkommen und für Einheit im Land  sorgen. Nach zweijährigem Drängen hat sie damit tatsächlich Erfolg. Aber in Rom muss sie erleben, dass Vetternwirtschaft  und Verschieberei doch weiter gehen, immerhin ein Neuanfang war geschafft. Den Plan  zu einem Kreuzzug zwecks Befreiung des Heiligen Landes konnte sie Gottseidank nicht durchsetzen. In den Vorwehen der Reformation ist Katharina jedenfalls eine starke Figur, mystisch und reformatorisch zugleich, eine Radikale von Gottes Gnaden. Glutkern in all ihrem Engagement ist ihre heiße Christusmystik: „Dialog mit Christus“ heißt das Hauptwerk dieser exzentrischen und ekstatischen Kirchenlehrerin, einer Extremestin der Gottes- und Menschenliebe. „Seid versichert: wenn ich sterbe, ist die einzige Ursache meines Todes die Liebe zur Kirche“ - diese Worte kurz vor ihrem Tod heute vor 639 Jahren sind bezeichnend. Es ist wohl ein Grundgesetz seit Jesu Zeiten: immer sind es Einzelne, die durch ihre Gottesbegeisterung und ihre  revolutionäre Geduld die Kirche erneuern.  Sie steigen nicht aus oder zeigen auf andere, sie lassen sich selbst in Mitleidenschaft ziehen.

Heute im Tagesgebet der katholischen Liturgie wird dafür gedankt, dass Gott der heiligen Katharina „das Leiden Christi und die Wunden seiner Kirche vor Augen gestellt habe“. Höchst aktuell. Denn nur so gelingt Heilung und Reformation an Haupt und Gliedern. Was wäre heute wichtiger als solch ein Kirchenmut?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28575
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