SWR2 Wort zum Tag

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„La Cathédrale Notre Dame de Paris brûle! Quelle catastrophe!“ so sagte mir meine französische Freundin in ihrem blanken Entsetzen. Das Symbol der Grande Nation brennt lichterloh und wir alle sind geschockt. Was macht so ein Bauwerk für uns Menschen heute noch so wertvoll habe ich mich gefragt? Ist es „nur“ die Historie, die darin symbolisiert ist? Oder spielt Notre Dame noch eine wichtige Rolle als Gottes-Haus? Meine Französische Freundin ist nicht besonders religiös und auch keine praktizierende Katholikin. Aber in der Nähe ihres Wohnorts steht ihre Lieblingskirche. Und da zieht es sie immer wieder hin, um zur Ruhe zu kommen. Beim Brand von Notre Dame musste sie weinen.

Mich beschäftigt dabei die Frage, ob es nicht eher dieses ganz Andere ist, was auch säkular geprägte Menschen in Kirchen bringt. Das, was mit unserem Alltag scheinbar so gar nichts zu tun hat, weil es völlig verschieden ist von unserem heutigen Denken und Fühlen.

Müssen Glaube und Kirche also immer „anschlussfähig“ sein an unsere Lebenswelt von heute und an unser Lebensgefühl? Oder muss Religion nicht vielmehr sperrig sein, gegen den Strich bürsten und einen Gegenpol bilden, damit sie heute noch relevant sein kann? Mit jahrhundertealten Ritualen oder altertümlich wirkenden Gewändern? Vor allem aber mit moralischen Ge- und Verboten, die vieles untersagen, was heute üblich ist: Zusammenleben ohne Eheschließung z.B. oder Liebe unter gleichgeschlechtlichen Partnern.

Ich bin überzeugt, dass ein Anteil von ‚sperrig sein’ und ‚ganz anders ticken’ schon wertvoll sein kann. Gleichzeitig ist es so, dass auch das Religiöse aufhört relevant zu sein, wenn es nichts mehr mit dem Leben der heute lebenden Menschen zu tun hat.

Wenn ich versuche zusammen zu bringen, was am Glauben sperrig ist und trotzdem mein Leben heute berührt, dann komme ich zu dem Ereignis, das wir morgen feiern, nämlich zu Ostern. Glaube ist dann gut und gottgewollt, wenn er zur Auferstehung verhilft, vom Tod zum Leben, uns frei macht von Angst und Sorge. Glaube der nicht befreit und dem Menschen dient, kann mir gestohlen bleiben, weil er dann nur der Tradition, der Institution oder dem Machterhalt hilft.

Ostern heißt: Wir dürfen aufstehen, ja auferstehen zum Leben. Hoffentlich wird auch die Cathédrale Notre-Dame de Paris bald wieder aus den Ruinen auferstehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28532
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