SWR3 Gedanken

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„Jeder Mensch sollte einen Ankerpunkt haben.“ Das hat eine Freundin mir letztens gesagt. Sie sagt: „Jeder Mensch sollte einen Ankerpunkt haben, einen Ort, an dem er haltmachen und sich ausruhen kann. Dieser Ankerpunkt kann ein echter geographischer Ort sein oder auch nur in der Fantasie existieren. Wenn man da ist oder auch nur in Gedanken, dann kann man dort ‚anlegen‘.“

Ich habe mir das mal überlegt und mir ist aufgefallen, dass ich in der Tat einen solchen Ankerpunkt in meinem Leben habe: einen See mitten in den Vogesen. Ich habe ihn entdeckt auf einer Wanderung, ich hatte mich gerade getrennt und war fix und fertig und so wanderte ich allein in den Vogesen – da lag der See auf einmal vor mir: tiefblau, umgeben von Bäumen und Bergen. Hier ist es ganz still. Kein Autogeräusch. Um zu dem See zu gelangen, geht es hinauf über Steine und Felsen und Wurzeln. Hier am See kann man ausatmen, Luft holen, Pause. Ein tiefer Friede liegt über diesem See. Ich fühle mich wie in Gottes großer Hand - geborgen, aufgehoben. Ich bin schon viele Male zu „meinem“ See gegangen. Hatte manches Mal auch eine Frage oder eine Entscheidung mitgenommen, über die ich hier nachdenken wollte. Aber an diesem See gibt es keine Antworten, keine Lösungen. Was es hier gibt: Ruhe und Kraft zum Weitergehen. Manchmal schließe ich die Augen, wenn ich Stress auf der Arbeit habe oder es Streit in der Familie gibt, und dann sehe ich den See vor mir und spüre wieder diese Ruhe und Kraft.

Ja, ich stimme der Freundin zu: Ich wünsche jedem Menschen so einen Ankerpunkt. Vielleicht der Geheimplatz, an dem man sich als Kind zurückziehen konnte. Oder eine alte Kapelle. Dabei muss es kein realer Ort sein, es kann auch ein Ort in der eigenen Fantasie sein. Wenn man die Augen schließt, ist man dort. Kann anlegen, Ruhe und Kraft tanken und dann ausgeruht weitergehen.

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