SWR2 Wort zum Tag

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Spricht man vom Kern biblischen Glaubens, dann ist schnell vom Doppelgebot der Liebe der Rede. Mit Recht. „Liebe Gott und den Nächsten wie dich selbst“ - diese jüdische Grundüberzeugung gehört in die Mitte  des Christseins. Und deshalb ist Weihnachten, der Geburtstag Jesu, auch ein Fest der Liebe. Aber eines wird dabei oft vergessen: das Doppelgebot der Liebe beginnt mit dem Vorspann: „Höre Israel, dein Gott ist einzig“. Also: lass es dir gesagt sein, lass dich auf diese Geschichte ein. Nicht ein „du sollst“ oder „du musst“ steht am Anfang. Nein: immer dieser Lockruf „Höre“… . Also „lass dich von Gott lieben, und je mehr du dich darauf verlässt, wirst du ihn lieben wollen und ebenso deinen Nächsten, denn er ist wie du“. Wie die Tür in der Angel hängt, so hängt das Liebesgebot in der Zusage dessen, der  seinem Volk und den Menschen immer schon zuvor- und entgegen kommt. „Lass dich lieben“, glaub meiner Zusage!  Es ist wie auch sonst in der Liebe: die einen sagen „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Die anderen trauen sich und glauben dem, der ihnen liebend entgegenkommt. Weihnachten ist nichts anderes als die Feier dieses Gottes, der in unsere Welt kommt, uns immer zuvor- und entgegenkommend. Ihm Glauben zu schenken, immer mehr und immer entschiedener, das ist die Einladung jetzt der Adventszeit: lernen sich lieben zu lassen und zu lieben.

Bei Meister Eckhart, dem großen Weihnachtsdenker, heißt es einmal drastisch: „Die meisten Menschen wollen … Gott lieben, wie sie eine Kuh lieben. Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So halten`s alle jene Leute, die Gott lieben, um äußeren Reichtums oder inneren Trostes willen; die aber lieben Gott nicht recht, denn sie lieben ihren Eigennutz.“ Viele wollen demnach einen Nuckelgott, von dem sie das Gewünschte kriegen; sie wollen Säuglinge bleiben. Aber Meister Eckhart hat erwachsene, mündige Menschen vor Augen. Und die leben das Liebesgebot frei und  absichtslos. So lassen sie Gott zur Welt kommen und werden selber weihnachtlich neu  geboren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27626
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