SWR3 Gedanken

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Meine Kinder streiten. „Aber ich hab das zuerst gehabt.“ Der Kleine haut gleich drauf los, weil er noch nicht sprechen kann. Die Große provoziert und rennt mit seinem Duplo-Turm weg. Und ich steh mittendrin und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Wen ausschimpfen? Wie konsequent sein? Ich hab den Anfang gar nicht mitgekriegt.

Susanne ist Psychotherapeutin. Ich kenne sie aus dem Kindergarten und sie hat mal so eine Szene bei uns miterlebt. Sie hat gesagt: „Du kannst nicht gerecht sein. Vergiss es. Der einzige Weg, der meiner Meinung nach funktioniert ist, mit beiden zu schimpfen. Dann verbünden sie sich gegen dich und Du hast Ruhe.“

Das ist ja mal interessant. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Und je länger ich da dran rum denke, desto schwieriger finde ich das. Einerseits ist das klar. Wenn die Kinder wissen, dass Mama und Papa immer mit beiden schimpfen, dann tun sie sich zusammen und machen gemeinsame Sache gegen die Eltern. Aber will ich das? Ich hab das Gefühl, dann werde ich ihnen gar nicht mehr gerecht. Und bewusst ungerecht sein? Das kann ich nicht.

Ich kann mich erinnern, dass es mir als Schulkind extrem wichtig gewesen ist, dass alles gerecht zuging. Wenn jemand nicht gerecht behandelt worden ist, hab ich mich immer eingemischt. Es hat mir geholfen, die Welt zu verstehen und alles richtig einzuordnen. Es war wie ein Test, ob das System auch verlässlich ist.

Ich glaube, das ist der Grund, warum ich mit meinen Kindern den Weg von Susanne nicht gehen kann. Ich weiß, ich kann nicht immer gerecht sein. Aber ich versuche es. Damit die Kinder wissen, worauf sie sich verlassen können.

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