SWR2 Wort zum Tag

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Nach oben wollen wohl alle, wie die Blumen zum Licht. Das ganze Leben könnte man beschreiben als Sehnsucht nach Anerkennung und Wertschätzung, ja als Jagd nach Erfolg. Offenkundig sind wir Menschen schon von der Evolution her darauf gepolt, Anklang zu finden und groß sein zu wollen.

Bei der jungen Frau war es genau so, die heute in der katholischen Kirche gefeiert wird. Therese von Lisieux heißt sie nach dem Ort ihrer Herkunft, aber ihr Spitzname lautet die kleine heilige Therese. Wie paradox! Eigenwillig und ehrgeizig war sie von früh an, nur das Größte war ihr recht.  Streng religiös erzogen, hatte sie deshalb nur eins im Sinn: in den Himmel zu kommen; außer dem Größten, Gott, war alles andere nichts für sie. Deshalb ging sie ins Kloster: möglichst im Schnellverfahren nach oben, vorbei am grauen Alltag der normalen Leute, möglichst viel fromme Höchstleistungen, um bei Gott und mit ihm groß heraus zu kommen.  Aber alles kam anders, und das macht ihr Leben, mit 24 Jahre irgendwie schon früh vollendet, so spannend.

Auch Klöster sind ja keine Oasen des Glücks. Auch da geht es menschlich, allzu menschlich zu - liebevoll und gemein, mit verdeckten Rangeleien und Machtkämpfen wie überall.  Das musste Therese - blutjung, frühreif und hochbegabt – lernen, am eigenen Leib und vor allem an der eigenen Seele. Jesus-verliebt wie sie war fällt Therese unter den Mitschwestern bald auf:  sie macht  nämlich die Konkurrenzspielchen und Intrigen nicht mit. In ihrem Verhalten wird der Lebensstil Jesu ablesbar. Nicht mehr eigensüchtig „Hoch hinauf“, geht es, sondern achtsam und zärtlich „tief hinunter“, in die Grauzonen des Alltäglichen und Banalen. Konkret heißt das für sie: die oft lästigen Mitschwestern aushalten, den  eigenen  negativen Gefühlen  nicht ausweichen, stets den ersten Schritt zur Versöhnung tun,  kurz: alles ins Gebet nehmen. Dazu gehört vor allem:  die eigenen Grenzen annehmen und immer vom Anderen ausgehen, von seiner Not und seiner Eigenart. Nichts als Liebe will sie sein.  Und sie lernt: alles ist Gnade, nichts lässt sich erzwingen. „Ohne mich könnt ihr nichts tun“, sagt Jesus im Johannesevangelium.  Mit diesem Jesus weiß sich Therese innigst verbunden, seine Liebe wird zu ihrer.  Ihm will sie helfen.

Die letzten 18 Monate ihres Lebens mit der tödlichen Tuberkulose werden zur Bewährungsprobe.  Wer mit Jesus hoch hinaus will, geht mit ihm auch ganz nach unten. Deshalb ist die kleine heilige Therese zur großen Reformatorin geworden, eine wunderbare Lebensbegleiterin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27293
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