SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

 Teil 1

Jedes Jahr hat seine Sommerhits. Sie werden im Radio rauf und runter gespielt und nach kurzem kann man sie mitsingen. Sommerhits machen fröhlich. Mein Sommerhit in diesem Jahr kommt nicht im Radio. Aber das Lied gibt einen Rat, wie man fröhlich werden kann. Es ist ein Kirchenlied und heißt „Geh aus mein Herz und suche Freud…“ Vielleicht kennen Sie es ja.  

Als junger Mensch habe ich mich oft gefragt, warum man sich denn aufmachen soll, um fröhlich zu werden. Ich bin doch schon von Natur aus eher fröhlich und zufrieden. Und selbst wenn ein Tag mal richtig stressig und schlimm war, am nächsten Morgen sieht doch alles wieder ganz anders und neu aus. 

Aber mit den Jahren muss man auch mit Veränderungen fertig werden, die – realistisch gesehen – nicht besser werden. Energie und Kraft lassen einfach nach. Ich denke an meine Eltern, die weit über 80 sind. An ihnen sehe ich, dass man vor allem ältere Menschen manchmal richtiggehend mitnehmen muss, damit sie wieder etwas sehen oder erleben, das sie fröhlich und zuversichtlicher macht.  

Für manche Menschen ist jeder Schritt beschwerlich, viele Orte sind praktisch unerreichbar, aber zuhause fällt ihnen die Decke auf den Kopf. Die eigenen Kreise werden kleiner. Vieles wird unüberschaubar und deshalb bedrohlicher.  

Wie kommt man da wieder raus? Mir hilft da oft Musik, weil sie den ganzen Menschen anspricht, auch die Gefühle, die Seele. 

Besonders das kirchliche Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ macht Mut, sich innerlich neu aufzumachen. Auch dann, wenn man sich kraftlos fühlt, kann man die ersten Schritte mitgehen. Ja, etwas Bewegung gehört dazu, aber nur so viel, wie gerade möglich ist. Ein Spaziergang durch den Ort oder in den Wald wie im Lied muss es nicht einmal sein. Aber vielleicht ein paar Schritte auf die Veranda, den Balkon oder um die Fenster zu öffnen, damit die Augen spazieren gehen können, damit die Ohren andere Klänge hören, damit die Nase all die Düfte aufnehmen kann, die jetzt verströmt werden. Freude kann man suchen und finden.  

Ich kann dabei auch Gott suchen und wahrnehmen, heißt es in diesem Lied. Ich kann aus einem Spaziergang, aus einigen wenigen Schritten nämlich auch ein Gebet machen. Denn Bewegung wird zum Gebet, wenn ich dabei Gott mit in den Blick nehme. Dann wird die Natur wie im Lied besungen zu „Gottes Gabe“, dann verstehe ich ein bisschen mehr, dass Gott jedes Wesen und damit auch jeder einzelne Mensch unendlich wichtig ist. Mehr noch, dass dieser Gott uns mit Christus noch viel Größeres versprochen hat als die schönsten Parks, Gärten und Naturschutzgebiete dieser Welt. All das beschreibt das Lied: „Geh aus mein Herz…“ 

Teil 2

Manchmal muss man ja wirklich sein Herz, also sich selbst anhalten, das Schöne und Gute und Heilsame wieder neu zu sehen. Das Lied sagt: Blumen und Pflanzen, Bäume, Vögel, Tiere: all das sind Geschenke Gottes. Und ich finde: Ja, so ist es. Das alles hat Gott uns geschenkt, damit wir mit Freude leben und staunen können.

Allein schon zu sehen, dass etwas wächst und gedeiht, tut einem gut. Das Zusammenspiel der Farben der Blumen, der Wiesen, der Wälder, die verschiedenen Gerüche, das Gezwitscher der Vögel, das alles lässt die Seele aufleben und neuen Mut schöpfen.  

Meine Frau und ich probieren das gerade auch. Und wir erleben dabei immer wieder kleine Überraschungen, die der Seele gut tun. 

Wie erst vor wenigen Tagen. Völlig erschlagen von der großen Hitze haben wir uns abends nach dem langen Arbeitstag in die Gartenstühle auf der Veranda gesetzt. Uns tut das gut, nach all den Anforderungen des Tages, nochmals kurz hinaus, entweder ein paar Schritte auf die Felder oder wie diesmal einfach zusammen hinsitzen und einen Espresso genießen, über die Wiese zu schauen und dem abendlichen Konzert der Grillen und Vögel zuzuhören. Da können wir ohne Zeitdruck aussprechen, was uns gerade beschäftigt. Ganz entspannt in schöner Umgebung, die uns aufbaut. 

Da hat es aber sehr eigenartig im großen Lorbeerbusch geraschelt, immer und immer wieder. Ein Vogel? Nein, das Knacken, Knistern und leise Krachen war doch eher am Boden, wo die vertrockneten Blätter unter dem Busch liegen. Eine Katze oder vielleicht sogar eine Ratte? Nein, die sind doch nie so laut.  

Da löst sich plötzlich das Rätsel von allein auf. Ein richtig großer Igel tippelt aus dem Busch heraus auf uns zu. Hat er uns denn nicht bemerkt? Dann bleibt der Igel stehen. Wir haben beide schnell unsere Handys gezückt, wie man das so macht, um die Kinder per Whatsapp auch noch zu beglücken. Aber das Kerlchen hat sich genauso schnell wieder verzogen.  

Eigenartig, wie heilsam solche Momente sind. Die Zeit, die man sich nimmt, um nach draußen zu gehen, etwas anderes zu sehen. Und sich dann vom vielfältigen Leben und dem Schönen um einen herum einnehmen zu lassen. Vielleicht sogar eine Ahnung zu bekommen, von der Schönheit und den paradiesischen Zuständen der himmlischen Welt Gottes. Von denen singt das Sommerlied „Geh aus mein Herz…“ ja auch. 

Wenn Sie ein Gesangbuch haben: Dort finden sie das Lied unter der Nummer 503. Oder wenn Ihnen das möglich ist: Ganz einfach im Internet. Lesen Sie mal und lassen Sie sich anregen. Vielleicht mögen sie selber dann auch rausgehen. Ich bin sicher: Sie werden Freude finden.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26978
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