SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die einen feiern in diesen Tagen ausgelassen, frohsinnig und unbeschwert närrisch. Beneidenswert. Aber direkt daneben sind andere: Sie wären gern unbeschwert und können es nicht. Weil ihnen das Leben verdunkelt ist. Ich glaube, man kann sich umgeben von Frohsinn sehr aus der Welt gefallen fühlen und allein. In diesem Jahr empfinde ich diese Spannung besonders:

Vielleicht, weil ich sie seit ein paar Tagen selbst schmerzhaft spüre. Mitten in einer unbeschwerten Runde habe ich die Nachricht bekommen, ein Freund ist in die Intensivstation eingeliefert worden. Lebensbedrohlich. Auf einen Schlag kam mir meine Fröhlichkeit von gerade eben noch fast unwirklich vor.

Eigentlich leben wir ja immer in dieser Spannung. Nicht nur in der närrischen Zeit. Es gibt immer Fröhliche und haarscharf daneben die anderen. Manchmal spüre ich diese Spannung am eigenen Leib.

Ich fühle mich verbunden mit Menschen, die sich freuen können am Leben, an ihren Kindern und ihrem Glück. Bin gern fröhlich mit ihnen. Und die anderen, denen es ganz anders geht? Mit denen bin ich gleichzeitig verbunden. Manchmal finde ich diesen Riss durchs Leben und durch die Gefühle schwer auszuhalten.

Dann denke ich: Wäre es leichter, wenn ich mehr auf Distanz ginge. Wenn ich mein eigenes emotionales Mittelmaß fände. Irgendwo in der Mitte, gedämpft von Vernunft. Nicht zu viel Nähe und Empathie. Könnte mich dann diese Spannung der Welt vielleicht nicht so mitnehmen?

“Freut Euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden”, bittet der Apostel Paulus in einem Brief in der Bibel. Er meint: ‘Lasst diese Spannung zu. Weicht ihr nicht aus. Haltet ihr stand.’ So verstehe ich ihn. In gleichmäßige Distanz zu Menschen zu gehen, das ist für ihn anscheinend kein guter Weg.

Ich frage mich, warum rät Paulus, nah zu bleiben. Den Fröhlichen und den Weinenden. Ich vermute, es hat mit seinem leidenschaftlichen Bild von Gott zu tun. Er hat auch geschrieben: Die Liebe ist die größte. Wichtiger sogar als Glaube und Hoffnung. Und lieben kann man nicht, wenn man innerlich auf Abstand bleibt.

Überzeugend finde ich den Rat des Paulus auch deshalb, weil er damit Fröhliche und Weinende auch zueinander weist. Die Fröhlichen - auch die Narren heute - sie sollen sich freuen. Aber dabei die achten, die sich heute nicht freuen können.

Und wenn Ihnen oder mir heute eher schwer ist: Vielleicht können wir ja doch mal hinschielen zu den Fröhlichen. Uns ein wenig anrühren lassen. Auf Zukunft hin: Bald werde ich auch wieder lachen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25909
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