Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn ich noch einmal könnte, würde ich in meinem Leben manches anders machen. Diesen Satz kann man schon mal hören, wenn ältere Menschen auf ihr Leben zurückblicken. Wenn aber ein junger Mensch einen solchen Satz sagt, klingt das schon gewöhnungsbedürftig. Vor kurzem begegnete mir ein erst 21 Jahre alter Student, der spürbar in Panik war, weil er glaubte, in seinem jungen Leben schon gravierende Fehlentscheidungen getroffen zu haben. Er hätte schon in der Schule ein Jahr ins Ausland gehen sollen und sich schon in den unteren Semester um Praktika kümmern sollen. Jetzt hatte er das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben. Der junge Mann machte sich offensichtlich heftige Vorwürfe. Das war sicher nicht gut für ihn, aber ich konnte ihn auch verstehen. Im Zeitalter von Bachelor und Master muss das Studium effizient sein. Es gilt, einen marktgängigen Lebenslauf zu produzieren. Auslandsaufenthalte, Praktika und Zusatzqualifikationen werden erwartet. Bummeln gilt nicht. Wer sich Zeit lässt, wer auch den Zufällen und Fügungen des Lebens eine Chance geben will, sieht sich schnell unter Rechtfertigungsdruck. Nicht alle kommen mit diesem Druck zurecht, weiß man auch in den Beratungsstellen der Studentenwerke. Als Hochschulseelsorger versuche ich in Gesprächen, jungen Menschen diesen Druck zu nehmen. Z.B. weise ich darauf hin, dass sich auch aus vermeintlich falschen oder verpassten Entscheidungen Positives für die Zukunft lernen lässt. Vor allem aber erinnere ich daran, dass es oft erst sehr viel später möglich ist, festzustellen, ob eine Entscheidung überhaupt richtig oder falsch war. Denn mancher Umweg und manche Sackgasse im Leben hat sich am Ende doch noch als gute Fügung erwiesen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2448
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