SWR4 Abendgedanken

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Zeitvertreib – was für ein merkwürdiges Wort. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, die Zeit vertreiben zu müssen. Ich habe eher den Eindruck, der Zeit hinterher zu laufen. Nie ist meine to-do-Liste abgearbeitet, immer ist noch etwas zu tun. Also möchte ich die Zeit gar nicht vertreiben, eher im Gegenteil: ich möchte die Zeit festhalten oder verlängern.

Andererseits es gibt soviel Zeitvertreiber. Das Fernsehen gehört dazu. Wenn ich nach Hause komme und das Fernsehen anmache, dann bleibe ich schnell eine zeitlang auf dem Sofa sitzen und lasse mir die Zeit vertreiben. Handys und Smartphones sind perfekte Zeitvertreiber. Mittlerweile ist es selbstverständlich: Sobald die kleinste Lücke im Ablauf des Tages auftaucht wenn ich z.B einen Moment warten muss, bis der Zug kommt oder bis eine Besprechung beginnt, greife ich schnell zum Smartphone: will jemand was von mir? Was gibt es Neues? Alleine im Café zu sitzen ohne auf das Smartphone zu schauen, das geht gar nicht!

Das Gegenteil von Zeitvertreib ist für mich: Zeitgenuss. Statt die Zeit zu vertreiben: die Zeit genießen, die kurzen Pausen, die Wartezeiten als geschenkte Zeit ansehen. Wenn ich im Café sitze, lasse ich  das Handy in der Tasche. Ich schaue die Menschen um mich herum an, nehme vielleicht Blickkontakt auf oder lächle jemandem zu. Ich nehme die Bedienung wahr und bedanke mich. Und vor allem genieße ich den Kaffee: Die Farbe, den Geruch, den Geschmack. Dann wird aus dem  Zeitvertreib ein Zeitgenuss.

Zeitgenuss –was für ein schönes Wort. Ich hänge es mir an den Kühlschrank – als Erinnerung. Und lass das Handy immer öfter in der Tasche.

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