Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Auf der Geburtstagsfeier des Schulanfängers trat der Großvater als Zauberkünstler auf. Höhepunkt der kleinen Darbietung war eine Guillotine, deren scharfes Messer eine Gurke glatt durchtrennte. Mit theatralischen Worten wurde der Vater des Jungen gebeten, nun seinen Arm unter das Messer zu legen. Die Zuschauer beschlich ein wohliges Gruseln: Würde die Guillotine den Arm genauso durchtrennen wie die Gurke? Da sagte der Junge mit klarer Stimme: „Ich glaube nicht, dass mein Opa meinem Papa den Arm durchschneidet. Denn mein Opa ist der Papa von meinem Papa.“

So viel kindliches Vertrauen macht nachdenklich. Offenbar hat der Junge mit seinem Vater so gute Erfahrungen gemacht, dass für ihn generell klar ist: Väter tun ihren Kindern nichts ernsthaft Böses.

Wir wissen aus vielen Studien, wie wichtig und prägend die Erfahrungen sind, die Kinder mit Vater und Mutter machen. Leider gilt das nicht nur für die positiven Erfahrungen. Wer als Kind schlechte Erfahrungen mit Vater oder Mutter gemacht hat, hat es schwerer, selbst eine gute Vater- oder Mutterrolle einzunehmen. Das reicht oft bis in das persönliche Gottesbild: Wer den eigenen Vater als brutal oder ablehnend erfahren hat, kann sich Gott schwer als liebenden Vater vorstellen.

Bereits die Bibel kennt diese Lebenserfahrung. Sie wird deshalb nicht müde, Gott als einen liebenden Vater oder eine liebende Mutter vorzustellen, deren Liebe alle menschlichen Vorstellungen sprengt. Wie eine gute Mutter ihr Kind nicht vergessen könne, so könne auch Gott die Menschen nicht vergessen. Aber selbst wenn eine Mutter ihr Kind vergessen könnte – Gott könne es nicht. Denn er sei Gott, kein Mensch.

Für mich ist diese klare Aussage ermutigend. Auch für Menschen, die keine guten Elternerfahrungen gemacht haben. Gott ist kein Übervater oder eine Übermutter, die Angst machen oder den moralischen Druck auf irdische Eltern noch erhöhen. Sondern Gott ist der unwandelbar, absolut verlässlich Barmherzige. Deshalb können wir ihn Vater oder Mutter nennen. Und deshalb darf sich auch das gleiche Vertrauen wie bei dem Geburtstagskind einstellen. Denn Gott, mein Vater, wird mir nichts Böses tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24139
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