SWR2 Wort zum Tag

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„Ich bin Gott, der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ So lautet das erste der zehn Gebote in der Bibel. Aber ist es noch zeitgemäß? Kann es noch Geltung beanspruchen? In einer Zeit, in der Religion als Privatsache gilt und jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Da klingt das erste Gebot wie ein Fossil aus grauer Vorzeit.

Im Jahr des Reformationsjubiläums kann man ausgerechnet in der fast 500 Jahre alten Erläuterung Martin Luthers hierzu eine erstaunlich aktuelle Entdeckung machen:

Ein „Gott“ heißt das, wovon man alles Gute erwartet und wozu man Zuflucht nimmt in allen Nöten – so legt Luther sinngemäß das erste Gebot aus, und gleich weiter: „dass also einen Gott haben nichts anderes ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben … allein das Trauen und Glauben des Herzens macht beide, Gott und Abgott.“

Das klingt sprachlich vielleicht alt, ist aber der Sache nach sehr modern: Es ist der Mensch, der sich Gott macht. Nicht in dem Sinn, dass er Gott erfindet, sich so etwas wie ein göttliches Wesen ausdenkt. Aber so, dass er sich entscheidet, worauf er sein Leben gründen will, worauf er sich verlässt im Leben und im Sterben – und wenn es hart auf hart kommt. Was zählt, wenn alles im Leben schwimmt oder bricht?

Bei diesem „Trauen und Glauben“ kann der Mensch auf das richtige oder auf das falsche Pferd setzen. Luther weiß das: Es gibt Gott und Abgott. Die Frage ist nur: Woran erkenne ich den richtigen, den wahren Gott? Gibt es ein Kriterium hierfür.

Für mein Verständnis gibt es eins, denn das biblische erste Gebot enthält noch einen wichtigen Zusatz: „Ich bin Gott, der Herr, der dich aus der ägyptischen Sklaverei herausgeführt hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Befreiung aus der Sklaverei – das ist das Kriterium Gottes. Nur das verdient es in Wahrheit, „Gott“ genannt zu werden, was in die Freiheit führt. Und umgekehrt: Was in die Unfreiheit führt, ist Abgott, Götze.

Dreh- und Angelpunkt ist eine Erfahrung und die Zusage von Freiheit. Und Freiheit heißt: Kein Mensch soll einen anderen knechten und ausbeuten. Keine Macht soll über Herz und Verstand verfügen. Keine Abhängigkeit und keine Sucht sollen mich entmenschlichen. Kein religiöses Gesetz und keine weltliche Herrschaft sollen mir abverlangen, wogegen mein Gewissen steht. Da sei Gott vor!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23679
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