SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich nehme mich manchmal selbst so wichtig. Das ist mir vor wenigen Wochen wieder aufgefallen. Ich war eingeladen, bei einem Gottesdienst die Predigt zu halten. Hinterher kamen einige Leute auf mich zu und bedankten sich. Sie schüttelte mir die Hände, klopften mir auf die Schulter und ich fühlte mich richtig gut. Später habe ich gedacht: Wenn nun niemand zu mir gekommen wäre?  Kein Händeschütteln und Schulterklopfen. Wäre ich dann enttäuscht gewesen? Und: Worum ging es mir eigentlich? Um die Predigt? Das war doch schließlich meine Aufgabe. Oder ging‘s mir um mich selbst?

Ich nehme mich selbst wichtig - und das ist eigentlich gar nicht falsch. Schließlich muss ich mit mir selbst den ganzen Tag zusammen sein. Ich muss mich selbst aushalten. Ich habe erst mit den Jahren gelernt, dass meine Wünsche und Bedürfnisse auch wichtig sind und ich sie ruhig äußern darf. „Du musst mit dir selber gut befreundet sein“ hat mir mal jemand geraten.

Also: Wo ist das Problem? Ich will mich selbst wichtig nehmen. O.k. Aber ich muss zugleich aufpassen, dass es mir nicht vor allem darum geht, dass die anderen mich wichtig nehmen. Oft ertappe ich mich dabei, dass ich in den Augen der anderen gut dastehen will. Aber damit  mache ich mich von den Menschen, denen ich begegne, abhängig. Mein Wert hängt dann davon ab, was andere Leute über mich denken und ob sie mich genug loben.

Als mich diese Gedanken beschäftigt haben, habe ein Zitat des Reformators Martin Luther gelesen. Der schrieb in einem Brief an einen Freund über sich selbst: „Ich kenne auch den Luther nicht, will ihn auch nicht kennen; ich predige auch nichts von ihm, sondern von Christus. Den Luther soll der Teufel holen – wenn er kann“  Typisch Luther: Diese direkte, urwüchsige Sprache. Aber was er sagen will, ist mir gleich klar: Er nimmt sich selbst nicht so wichtig. Ihm ist auch nicht wichtig, was die Leute von ihm denken. Ihm ist nur Jesus Christus wichtig. Alles was er tut, das soll nicht auf ihn selbst, sondern auf Jesus hinweisen. Jesus zu verkündigen, das ist für ihn die große Aufgabe seines Lebens, hinter die er selbst einen Schritt zurücktreten kann. Mir imponiert diese Haltung von Luther. Lieber Martin  Luther, das will ich von dir lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23675
weiterlesen...