SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Stille ist ein Schatz. Und Schätze muss man hüten.
Es gibt viele Traditionen, die den Wert und die Kostbarkeit der Stille für uns Menschen rühmen. Sie loben die Stille als Ort der Kraft und als Raum, um Gott zu begegnen. Auch das Christentum und sein Religionsbuch, die Bibel, sind eine Quelle für diese Weisheit.

Von Jesus wird erzählt, dass er sich immer wieder an einsame Orte zurückgezogen hat. Er wollte in der Stille Kraft schöpfen (Mk 6). Auch er brauchte Zeiten der Ruhe. Nach so viel Reden, Trösten und Fragen beantworten hat er sich zurückgezogen an einen stillen Ort. Dort hat er geschwiegen und gebetet. In der Stille konnte er mit Gott, den er zärtlich Papa nannte, in Kontakt kommen. Er konnte mit ihm reden, zu ihm beten oder einfach nur da sein und neu  spüren: was auch kommen mag, Gott, mein Vater, ist bei mir.

Nun werden manche sagen: damals zur Zeit Jesu, da war alles anders. Kein Flugzeug, keine Bagger auf der Baustelle, keine Bohrmaschine im Werkzeugkasten des Nachbarn.
Das stimmt. Es ist nicht einfach, heute Stille zu finden.
Morgens schon macht der Mixer für das smoothy ein lautes Geräusch.Beim Einkaufen läuft Musik wie eine Dauerberieselung. Von morgens bis abends sind wir eingetaucht in einen Ozean von Lärm. Manches Mal kommt es mir vor, als gäbe es eine Scheu, mit sich selbst alleine zu sein ganz ohne Geräusche.

Aber ich merke immer wieder: Der Rückzug in die Stille ist wichtig. Endlich kann ich über den Tag nachdenken, eine Entscheidung vorbereiten, für eine Freundin beten, mit Gott in Kontakt kommen – all das braucht Stille.

Auch wenn Stille nicht so einfach da ist, kann ich doch etwas dafür tun. Ich kann mir ein paar Minuten nehmen an einem ruhigen Ort. Jeden Tag. Das muss ja nicht lange sein. Einfach mal den Einschaltknopf nicht sofort drücken, wenn ich ins Zimmer komme. Einen Augenblick verweilen und auf das Ticken der Uhr hören. Die erinnert mich, dass alles seine Zeit hat – auch die Stille.

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