SWR2 Wort zum Tag

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„Ich bin so frei“, eine alte Redensart. Ich benutze Sie manchmal, wenn ich mir etwas herausnehme. Bei einem Besuch, wenn ich über den Tisch greife, um mir die Butter zu nehmen. Wenn es darum geht, im Lokal die Rechnung für alle zu bezahlen. Wenn ich ungefragt etwas tue, wo ich auch erst mal lange diskutieren könnte. Ich bin frei, zu handeln. Ich bin so frei.

„Ich bin so frei“, die Redensart habe ich vor einer Woche auch in der Osternacht gehört. Es ging um eine zentrale Geschichte der Juden wie der Christen. Die Juden schuften, so erzählt es die alte Geschichte, als Sklaven. Bauen Pyramiden und Tempel. Schleppen Steine. Werden brutal unterdrückt. Bis sie sich die Freiheit nehmen abzuhauen. Sie schütteln die Sklaverei ab, nehmen sich heraus, frei zu sein. Sie sind so frei, sind frei, „Nein“ zu ihren Unterdrückern zu sagen. Sie fliehen und werden so frei, frei von Zwang und Unterdrückung, frei von der Sklaverei.

Die Redensart „Ich bin so frei“ spielt allerdings auf eine Freiheit an, die mehr ist als nur diese äußere Freiheit. Sicher, keine äußeren Zwänge zu haben, das ist wichtig und notwendig. Das ist die sogenannte »negative Freiheit«, die Freiheit von etwas. Genauso wichtig aber ist es, auch innerlich frei zu sein. Frei zu sein, überhaupt etwas tun zu wollen. Das ist die sogenannte »positive Freiheit«, die Freiheit zu etwas. Sie setzt voraus, dass ich mich entscheiden kann. Dass ich wählen kann zwischen Möglichkeiten, die mir das Leben bietet. Dass ich mich entscheiden kann zu einem Leben mit einer Partnerin oder einem Partner, dass ich mich entscheiden kann für einen bestimmten Beruf, dass ich mich entscheiden kann für Kinder, für einen Wohnort, für ein Hobby.

Woher nehme ich mir das Recht auf diese Freiheit? Warum bin ich „so frei“? Die Geschichte vom Exodus, vom Auszug der Juden aus Ägypten, gibt darauf eine eindeutige Antwort: Ich bin frei, weil Gott mich als einen Menschen geschaffen hat, der Freiheit besitzt. Ich bin frei, weil Gott mir dabei beisteht, diese Freiheit auch zu nutzen. Gott, das ist der Kern der Erzählung vom Auszug, will den freien Menschen. Daran denke ich, wenn ich sage: „Ich bin so frei!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21772
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