Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute ist Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag. Gott versöhnt sich mit dem Menschen, das ist der Sinn. Ich lade Sie ein: Zwei Minuten ein zu tauchen in die jüdische Welt.
Heute ist Sabbat. Die Juden in aller Welt feiern den Sabbat aller Sabbate, Versöhnungstag. Viele, die sonst nie den Weg ins Bethaus finden, verbringen diesen Tag oder zumindest einen Teil davon in der Synagoge. Im Staat Israel kommt das öffentliche Leben gänzlich zum Stillstand. Fernsehen und Radio unterbrechen für 26 Stunden ihre Programme, die Straßen sind, ohne behördlichen Zwang, autofrei. Das ganze öffentliche Leben setzt aus. Jom Kippur, ein Tag, da ist der Mensch durch und durch nach innen gekehrt.
Wenn sich Gott versöhnt mit dem Menschen, dann war Zeit, bis heute, alle menschlichen Beziehungen in Ordnung zu bringen. Ich soll tun, was ich kann. Und Gott selbst will alles das regeln, was zwischen mir und ihm nicht in Ordnung ist. Alle moralischen und materiellen Verpflichtungen gegenüber Mitmenschen jedoch müssen vor Jom Kippur beigelegt werden. Bescheidenheit und Busse ist angesagt. Das drückt sich auch aus in dem Gebet, das ich jetzt lese.
„Arrogant waren wir
Boshaft
Charakterlos
Diebstahl haben wir begangen
Eingeschmeichelt uns.
Getötet
Hartnäckig sind wir gewesen
Irregeführt haben wir andere
Jede Vorsicht im Reden über andere haben wir unterlassen
Kaltherzig waren wir
Macht missbraucht
Not anderer übersehen
Obhut Gottes haben wir verachtet
Prestige-Gedanken haben uns geleitet
Qualen haben wir anderen zugefügt
Ratschläge haben wir erteilt, die schlecht waren
Schuldig machten wir uns
Treulos sind wir gewesen
Ungehorsam gegen Gott sind wir gewesen
Weisungen Gottes beachteten wir nicht.“
Die Männer legen danach zum Abendgottesdienst den „Kittl“, das Totenhemd, und den Gebetsmantel an: Nichts hab’ ich zu bringen, wenn ich mit Gott spreche. Er will alles tun. Das soll es bedeuten. Zum Zeichen dafür schickte früher der Priester den Sündenbock in die Wüste. Heute in der Diaspora geht es um das Buch des Lebens. Gott trage mich ein ins Buch des Lebens. Und am Ende des Tages wünschen sich alle gegenseitig Chatima towa! „Gute Besiegelung.“ Gott soll sein Siegel darunter setzen. Unter das Leben. So gebrochen es auch immer ist. Friedhelm Borggrefe, Ludwigshafen, Evangelische Kirche.

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