SWR1 Begegnungen

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Der 43-Jährige Thomas Heidenreich ist evangelischer Christ, Lehrer
an der Jüdischen Schule Frankfurt und  -  Musiker. Von Kindesbeinen
an war Musik für ihn ein Lebenselexier, und das Instrument, das ihn
seit jeher besonders fasziniert hat, ist das Schlagzeug.

Ich glaube einfach weil ich als Kind eben schon sehr rhythmisch interessiert war, und ich mein, dann gabs dann auch Hitparade im
ZDF, in den Medien eben auch Musikübertragungen, und dann
hab ich
immer schon auf den Schlagzeuger gekuckt, das fand ich immer
schon am geilsten, hab auch gemerkt, er ist derjenige, der das Ding zusammenhält, in der Popularmusik, nee, und er hat so diesen Drive, also diese Ur-Energie quasi vermittelt halt und das ist mir später eigentlich bewusst geworden, dass das für mich eigentlich die Rolle
spielt.
 

Thomas Heidenreich hat im Lauf der Jahre eine Fülle musikalischer Projekte realisiert, hat in Kirchen gespielt und bei Firmenveranstaltungen, hat Gottesdienste mitgestaltet, und er mischt musikalisch beim Karneval in seinem derzeitigen Wohnort Dieburg mit. Immer im Zentrum: das Trommeln. Das ist auch beim seinem aktuellen Projekt „drumlets“ so, eine Band, die aus vier Schlagzeugern besteht. Vier Schlagzeuge, nur Rhythmus, kein Text. Musik hat für Thomas Heidenreich immer auch eine religiöse Komponente. 

Das Göttliche, also das durchdringt natürlich mein Leben und meine Wirklichkeit, aber in dem Augenblick, wo ich musiziere, habe ich so den Eindruck oder so die Wahrnehmung, dass ich in einer anderen Wirklichkeit mich aufhalte, dass ich dann in so ne Art Trance kommen kann, und das merkst du dann auch, weil wir trommeln sehr kräftig, muskelkräftig sozusagen, und da gibt es so nen Punkt beim Spielen, da vergisst du das und dann weißt du yeah, jetzt kommst du aus diesem banalen Käfig des Körpers raus, so.

Rauskommen, losfliegen, schön und gut, aber gibt es nicht auch eine gefährliche Seite von Trance, bedeutet Ekstase nicht auch Kontrollverlust, wendet der rationale Theologe in mir ein.

Bestimmt. Aber ich vertraue auf, das sozusagen die Steuerung auch funktioniert, so dass es da jetzt nicht irgendwie gefährlich werden kann, aber es ist wie so ja ein schönes Gefühl , und du kannst dich auf die Musik legen, dich ihr so widmen, und du hast nichts anderes mehr im Kopf, also das … das sind ja schon kleine Formen von Trance.

Ob Trance oder nicht, Musik macht Gotteserfahrung möglich, diese Erfahrung teile ich mit Thomas Heidenreich. Rhythmus, Wiederholung, Monotonie, das immer Gleiche tun, immer wieder, das gibt es in der Musik ebenso wie in der Religion, beim Gebet.

Würde ich so beschreiben, also sagen wir mal, ich bin ja so in meinem Kulturkreis groß geworden, im jüdisch-christlichen Kulturkreis, und ich verknüpfe das für mich dann mit Gotteserfahrung, für mich zählt das dann unter Gotteserfahrung, ganz klar, ja. Also für mich ist es wie so ne Meditation, also analog zu ner Meditation. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, kommt, lasst uns diese Gotteserfahrung machen, jetzt trommeln wir, und dann haben wir sie oder so, sondern wir machens einfach, und dann ist es da, ja.

 Teil 2

Und nach dem Referendariat hatte ich eigentlich gar keine Lust Beamter zu werden, das geht schon mal gar nicht, so, und irgendwie durch Zufälle, kam ich, ne Freundin sendete mir so ne Freundschaftsanfrage so im Internet, so ah Lehrerin an ner jüdischen Schule, da kuckst du mal, hab mich vorgestellt, und wir sind sofort zusammengekommen, und waren uns einig, ich durfte Trommeln besorgen, ich darf da ganz viel Musik machen und darf eben an dieser Kultur teilnehmen. 

Aber hat er nie daran gedacht, seine Leidenschaft für die Musik zum Broterwerb zu machen? Hat er, sagt er, und hat auch eine Weile von der Musik gelebt. Dass er dann doch die Sicherheit des Lehrerdaseins vorgezogen hat, das hat auch viel mit seinen beiden sieben und neun Jahre alten Kindern zu tun. Kinder, das wurde ihm klar, bedeuten Verantwortung

Irgendwie habe ich jetzt noch Verantwortung für zwei weitere Leben, und nicht nur für die nächsten zehn Jahre, sondern 20 Jahre, und will auch da sein für die Kinder und jetzt habe ich so sagen wir mal mit der Mischung, ich bin Lehrer an einer Schule und kann auch Musik machen, nebenberuflich, das finde ich ne super Mischung, weil dann habe ich auch Zeit für die Kinder, hab für sie auch die Sicherheit, dass ich ihnen die Ausbildung und so, das ist eigentlich das Ding gewesen. … Da fühl ich mich auch wohl bei…also ich hab viel mit Vollblutmusikern zu tun, die hundertprozentig davon leben, das finde ich auch klasse, aber so wie ich das jetzt habe, finde ich das genau richtig, weil ich kenn den Bereich, ich habe darin gearbeitet und kann das einschätzen und merke, es ist nicht das was mich komplett ausfüllt, weil ich bin halt auch Lehrer, weißte, stehe vormittags vor der Klasse und vor den Kindern und bringe ihnen die Kulturtechniken bei … und das ist also so ein Riesengeschenk, und komm dann mittags nach Hause und habe noch voll Energie. Also für mich wirklich Himmel auf Erden sozusagen. (lacht).

Wie es bei ihm zu diesem intensiven Verhältnis zur Musik kam, weiß er dabei bis heute nicht:

Es ist immer da, genau wie mein Gottesvertrauen, das muss ich ganz ehrlich sagen, meine Eltern waren auch eher agnostisch und eher religionskritisch, und wenn Religion, dann eher esoterisch, und für mich war seitdem ich denken kann, klar, für mich gibt es Gott, fertig, so. Und zwar kann ich heute sagen, weil ich mich sehr mit der jüdischen Religion beschäftige, praktisch, wirklich vollkommen praktisch, ich nehme teil, und ich muss sagen, mein Gott ist ziemlich jüdisch, es ist so ein personaler, so ein Gegenüber, mit dem ich reden kann, das ist toll. (lacht).

Thomas Heidenreich ist ein Mensch voller Energie, Temperament, Lust und Lebensfreude. Es ist eine Energie und Lebenslust, die ansteckend ist. Die nachglüht bei mir, lange über den Nachhauseweg hinaus.   

 www.drumlet.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21525
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