SWR1 Begegnungen

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„Wir sollten an Weihnachten unseren Reichtum ausschütten!!

Ich spreche mit Britta Baas, Redakteurin der Zeitschrift „Publik-Forum“. Dort ist sie für Religion und Zeitgeschichte zuständig. Ihr 50. Geburtstag liegt nur wenige Tage zurück, als ich sie in Usingen im Taunus besuche. Das  Weihnachtsfest in diesem Jahr ist für  sie ein ganz besonderes:

Es wird das erste Weihnachten sein ohne meine Mutter. Sie ist am 9. November dieses Jahres 75-jährig verstorben. Das wird schwer sein. Wir werden zum einen – wir, das heißt meine ganze Familie, mein Vater, meine Geschwister, die Enkelkinder werden oft an sie denken, weil Weihnachten immer in besonderer Weise mit ihr verbunden war. Sie war der Mittelpunkt unserer Familie.

Ich frage Britta Baas nach dem Weihnachtsfest, und sie erzählt dann vor ihrer Mutter. Lebensfroh sei sie gewesen, glücklich, wenn viele Menschen um den großen Tisch Platz genommen hatten.  Die Mutter fehlt, immer, aber besonders an Weihnachten.

Und wir werden auch bestimmte Dinge, die sie zu Weihnachten gemacht hat oder auch in der  Adventszeit zuvor, werden wir erinnern. Und gleichzeitig wird uns auch oft der Satz über die Lippen kommen – ich merk das schon, wenn ich mit meinem Vater spreche – das wir im Augenblick ganz oft sagen: Wir machen etwas genauso, wie es Mama immer gemacht hat.

Ihre Kindheit verbrachte Britta Baas in Nordhessen. Sie erinnert sich gern an die Zeit zusammen mit ihren Geschwistern.

Ich bin im Forsthaus groß geworden. Für mich war das Weihnachtsfest als Kind, als Jugendliche und auch noch als junge Erwachsene immer verbunden mit Natur-Erlebnissen. Weihnachten und Natur gehörten existenziell zusammen. Dazu gehört der Weihnachtsbaum-Verkauf am Forsthaus. Dazu gehörten Gänge in den Wald, um Tiere zu füttern.

Britta Baas hat Geschichte, katholische Theologie und Germanistik studiert.  Auch als junge Theologiestudentin, wenn sie Weihnachten nach Hause kam, stellte sie sich im Badezimmer ans Fenster, um zusammen mit ihren Geschwistern auf das Christkind zu warten. Natürlich waren alle in Sachen „Christkind“ aufgeklärt, aber das Ritual im Forsthaus blieb.

Und ganz hinten war ein Berg, da ging eine Straße runter, und ab und zu kam ein beleuchtetes Auto. Wir wussten: Wenn dieses Licht aufleuchtet, das passierte sehr selten, aber irgendwann schon, kommt das Christkind, Das ist das Christkind. Es brauchte nur noch ein paar Minuten, bis es am Forsthaus angelangt war, dann haben wir die Ohren gespitzt, weil irgendwann ertönte ein Glöcklein… 

Britta Baas ist Journalistin und schreibt für „Publik-Forum“, ein liberales und kirchenkritisches Blatt. Sie freut sich jedes Jahr auf Weihnachten. Es ist ein schönes Fest, hat aber einen ernsten Hintergrund.

Da wird ein Kind geboren, das in eine untere gesellschaftliche Schicht gehört, das kein heimeliges und warmes Zuhause hat, sondern unter prekären Bedingungen geboren wird. Gleichzeitig haben mächtigen Männer dieser Zeit, Herodes, offenbar so furchtbare Angst vor diesem kleinen und schwachen Kind, dass sie dafür sorgen, dass es nicht länger als wenige Tage lebt. Was zur Folge hat, dass eine Fluchtgeschichte entsteht. Will heißen: Im Kleinen, Schwachen entsteht durchaus etwas Großes und emotional Mächtiges, was so große Furcht machen kann, dass die wirklichen Mächtigen dieser Welt sich dagegen wehren müssen.

Jesus – das Flüchtlingskind. Britta Baas geht die Not der Menschen nahe, die in diesen Tagen zu Hunderttausenden nach Deutschland kommen. Das spüre ich in unserem Gespräch immer wieder. Sie erzählt mir von einer Frau, die sich trotz ihrer Schwangerschaft auf den Fluchtweg gemacht hat, unterwegs das Kind bekam und das Neugeborene Kind samt zweier weiterer Kinder nach Deutschland brachte. - Britta Baas feiert Weihnachten gerne festlich, durchaus auch opulent. Wie geht das angesichts von Menschen in Notunterkünften und Turnhallen? 

Das lässt sich nicht ganz wegdenken an einem frohen Fest wie Weihnachten, und es gibt uns auch die Chance, jetzt die Situation der Flüchtlinge noch einmal unter einer neuen und sehr persönlichen und nahen Perspektive anzusehen.

Nicht alle können Flüchtlinge bei sich Zuhause aufnehmen, das ist uns beiden klar. Britta Baas ist Journalistin, legt Wert auf die Art und Weise, wie wir über Flüchtlinge sprechen.

Es ist schon mal ganz entscheidend, im ganz normalen Alltag, wenn ich einkaufen gehe, beim Nachbarn zu Besuch bin, wenn das Gespräch auf Flüchtlinge kommt, und das tut es in meinem Umfeld im Augenblick sehr häufig,  dann etwas Gutes zu sagen, Ängste zu nehmen, bereit sein, auf Ängste einzugehen, aber eine Stimmung zu verbreiten, die nicht Feindschaft und Abgrenzung bedeutet, sondern Offenheit. Wenn man das in weihnachtlichem Geist tut,tut man etwas sehr Wichtiges für die Veränderung und Verbesserung unserer Gesellschaft.

Weihnachten ist  auch eine Anfrage nach dem, wie wir leben – gut situiert, mit Einkommen und warmem Wohnzimmer. Britta Baas erzählt mir von ihrer Zerrissenheit – da großer Reichtum, dort bittere Armut, da ihr Wohnhaus, dort ein Flüchtlingszelt. Wie kann diese Spannung aufgelöst werden?

Mein eigener Reichtum darf nicht dazu dienen, die Armut der anderen weiter zu zementieren, sondern es geht um das Teilen, um das Abgeben, um das Öffnen des Herzens und ganz konkret dem Öffnen von Türen für andere. Wir sollten unseren Reichtum an Weihnachten ausschütten!

(Publik-Forum. Kritisch, christlich, unabhängig. Oberursel. Erscheint 14-tägig)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21123
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