SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Kann man etwas tun gegen Hass und die Wut, die Menschen gegeneinander entfachen können? Hass und Wut können Menschen entstellen, unmenschlich machen. Bis wir nur noch ein Zerrbild unserer selbst sind.
Ich habe den Eindruck, Hass und Wut greifen zur Zeit um sich. Entzündet an den Flüchtlingen, die zu uns kommen. Und zu viele lassen sich anstecken. Ich habe Hass erlebt auf der Straße, als ich mit anderen für Flüchtlinge demonstriert habe. Ich habe Hass und Wut erlebt nach Sendungen im Radio. In e-Mails. Wenn man für Flüchtlinge plädiert. Und eine menschliche Haltung ihnen gegenüber.
Hass und Wut werden oft von außen geschürt. Aber mir scheint: Ihre Kraft kommt eigentlich von innen. Diese dunkle Seite gehört anscheinend zu uns. Darum erzählt die Bibel auch schon ganz am Anfang davon, in der Geschichte von Kain und Abel.
Kain hat dieses furchtbare Gefühl, ich komme zu kurz gegenüber meinem Bruder Abel. Da steigen in ihm brennende Wut und Hass auf. Gott versucht, diesen destruktiven Brand in Kain zu löschen, bevor er ausbrechen kann:
Da sagt Gott zu Kain, erzählt die Bibel
: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht so? … Die Sünde lauert und greift nach Dir, du aber herrsche über sie.
Hilft das, Wütende so zu warnen? „Beherrsche Deine Wut.“
Ich vermute, Sie und ich, haben schon erlebt. Ein Appell an die Selbstbeherrschung kann zu spät kommen. Darum kann man nur jeden bitten, der zur Wut neigt. „Tritt ihr entgegen, lange bevor sie zur Tat werden kann.“ Lass Deine Wut gegen andere nicht so weit kommen, dass Du nicht mehr weißt, was Du tust.
Bei Kain kommt sogar Gottes Warnruf zu spät. Er wütet gegen seinen Bruder mit Gewalt. Und als ihn Gott später zur Rede stellt, antwortet Kain rotzfrech: „Soll ich etwa meines Bruders Hüter sein?“
Die Bibel meint ‚ja‘: Menschen können und sollen einander Hüter sein. Aufpassen zB. dass Menschen keine Wut auf andere entwickeln. Auch wenn sie Grund dazu haben, weil sie zu kurz kommen in unserer Gesellschaft.
Ich höre da eine direkte Aufforderung an uns, die bürgerliche Mittelklasse. Soziale Gerechtigkeit muss wieder wichtiger werden in unserer Gesellschaft. Viele Menschen am so genannten unteren Rand der Gesellschaft werden mit den Migranten konkurrieren: Um preiswerte Wohnungen, um Jobs. Wir können etwas dagegen tun, dass dabei keine Wut wächst. Flüchtlinge und Arme dürfen beide nicht zu kurz kommen. Damit sie einander nicht gegenüberstehen wie Kain und Abel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20918
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