SWR2 Wort zum Tag

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Kim Howard ist Künstlerin. Sie hat lange in Hamburg gearbeitet. Dort hat sie damit Geld verdient, Särge zu bemalen. Inzwischen ist sie ausgewandert. Aber ein Mal im Jahr kommt sie zurück nach Deutschland, um ihrem ausgefallenen Beruf weiter nachzugehen. Erstaunlich! Vor allem wenn man bedenkt, dass ihre Kunstwerke immer unter der Erde oder im Krematorium landen. 

Kim macht das nichts aus. Für sie steht der Arbeitsprozess im Vordergrund, also die Zeitspanne, in der das Kunstwerk entsteht. Die Arbeit mit den trauernden Angehörigen motiviert sie. Sie sagt: „Viele Verwandte fühlen sich erleichtert, wenn wir gemeinsam den Sarg gestalten. Und für mich ist es ein schönes Gefühl, ihnen dabei zu helfen.“ 

Kim lässt die Angehörigen auch gerne selbst zum Pinsel greifen. Für viele ist das wohltuend, weil sie sich um so vieles kümmern müssen, dass kaum Zeit zum Nachdenken bleibt. Die Hinterbliebenen können den Sarg anfassen. Manche fotografieren ihn oder entdecken nach der Arbeit Farbspuren an ihren Händen. All das trägt dazu bei, den Tod eines lieben Menschen besser verarbeiten zu können. 

Christian Hillermann ist Bestatter und arbeitet mit der Künstlerin zusammen. Er sagt: „Wenn jemand stirbt sind die Betroffenen oft in einer Ausnahmesituation. Da ist viel psychische Energie in einem gefangen. Da ist es gut, wenn diese Energie raus darf. Das geht, indem man weint und klagt, aber auch wenn man kreativ tätig wird.“ 

Die Motive, die gemalt werden, sind ganz unterschiedlich. Manchmal kommt einfach nur die Lieblingsfarbe des Verstorbenen auf den Sarg oder die Namen der Hinterbliebenen. 

Für einen begeisterten Schwimmer hat Kim den Sarg mit Wassermotiven verziert. Einer anderen Frau war das Bild in der Küche ihrer Mutter besonders wichtig. Für sie hat Kim eine Kopie davon auf den Sarg gemalt.  Kim sagt: „Am Anfang steht immer die Frage: Was verbindet mich mit dem toten Menschen?“ Allein diese Frage kann schon so heilsam sein. 

Ich finde es gut, den Abschied so intensiv wie möglich zu gestalten: kreativ sein, erzählen, erinnern. So kann es besser gelingen, den Verlust zu verarbeiten. 

Mich tröstet auch die Hoffnung, dass mich mit den Toten noch mehr verbindet als nur das Fotoalbum oder schöne Erinnerungen. Manchmal spüre ich ganz deutlich, dass sie da sind und dass ich sie wiedersehen werde. Und dieser Gedanke hat für mich eine Leichtigkeit. So wie die bemalten Särge von Kim Howard.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20737
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