Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Als ich ein kleiner Junge war, da gab es für mich außer Geburtstag nur zwei „richtige“ Feste: Ostern und Weihnachten.
An Ostern gab es Eier und Hasen, an Weihnachten gab es Spielsachen. Das war für die meisten Kinder damals so. Heute merke ich:
Das mit dem Feiern ist nicht mehr so übersichtlich. Längst feiern nicht mehr alle die gleichen Feste. Manche feiern sogar überhaupt nicht. Und es gibt andere Religionen, die feiern andere Feste an anderen Tagen.
Heute zum Beispiel gibt’s zwei Feste und ich mache nicht mit:
Die jüdischen Gemeinden feiern Jom Kippur. Ein Fest der Versöhnung mit Gott, an dem die Juden fasten.
Und die muslimischen Gemeinden begehen das Opferfest. Ein Freudentag, an dem sie mit Armen teilen und Gäste einladen.
Hier Fasten, dort Freuen. Und ich mit meinen Festen bin nirgends dabei!
Religion ist in Deutschland bunter und vielgestaltiger geworden. So übersichtlich wie in meiner Kindheit ist es nicht mehr. Manchmal macht mich das traurig – weil etwas, das mich geprägt hat, nicht mehr da ist. Aber dann denke ich:
Gott könnte sich etwas dabei gedacht haben, dass Menschen ihn auf verschiedene Weise anbeten und feiern.
Vielleicht, damit wir beim Zusammenleben lernen, Respekt und Toleranz zu üben. Oder damit eine einzelne Religion nicht das Monopol hat und andere niedermacht oder schlicht langweilig wird.
Oder ganz einfach, damit wir neugierig werden und uns auf Entdeckungsreise begeben in die Welt der Religionen. Im Lauf der Jahre ist mir klar geworden: der Wert meines Glaubens hängt nicht daran, dass alle dasselbe und keiner etwas anderes glaubt, sondern dass man von Herzen glaubt, was man glaubt. Deshalb wünsche ich unseren jüdischen und muslimischen Nachbarn ein gesegnetes Jom Kippur! Und ein gesegnetes Opferfest!
Und in anderthalb Wochen lade ich unsere Nachbarn herzlich ein zu unserem Fest:
dann feiern wir nämlich Erntedank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20557
weiterlesen...