SWR2 Wort zum Tag

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„Keiner lasse den Mut sinken!“ Dieser Vers aus dem 1. Buch Samuel (17,32) sollte über den Eingängen aller Krankenhäuser stehen. „Keiner lasse den Mut sinken“ – denn bei allem, was auch über Krankenhäuser, Ärzte und Pflege Kritisches gesagt wird: es ist wunderbar, dass es solche Orte gibt, Kliniken, die so modern ausgestattet sind, sauber und in denen Menschen arbeiten, die anderen helfen. Ohne sie hätte meine Mutter mit ihren 86 Jahren das vergangene Wochenende sicherlich nicht überlebt. Ein paar Tage später saß sie schon wieder auf dem Stuhl, schimpfte über das Krankenhausessen – und fühlte sich sichtbar erleichtert.
Keiner lasse den Mut sinken. Das hört sich ein bisschen militärisch an, wie ein Tagesbefehl. Nach „Reißt euch zusammen. Keine Schwäche zeigen. Es wird schon werden. Du musst kämpfen.“ So kommen sich ja manche Patienten vor: wie Kämpfer gegen ihre Krankheit. Sie bieten all ihre Kräfte auf, um dem Stand zu halten, was die Krankheit mit ihnen macht.
Manche sagen dann, wenn ihre Angehörigen nicht mehr in der Nähe sind: „Ich kann einfach nicht mehr. Ich kann nicht mehr kämpfen, und vor allem: Ich kann es nicht mehr hören, diesen Ratschlag: Du musst kämpfen. Mir fehlt einfach die Kraft. Ich kann ja kaum bis zum Waschbecken gehen und könnte immer nur schlafen und schlafen.“ Sie sind weniger mutlos, viel mehr kraftlos. Sie fühlen sich genervt von ihren Verwandten, und manchmal sogar schuldig, dass sie nicht schneller gesund werden, dass sie überhaupt krank geworden sind und so schwach sind und Angst haben. Ihr Kampfgeist ist einfach erschöpft.
Manche Patienten spüren deutlich: Es hilft nichts, sich Illusionen über die eigenen Möglichkeiten zu machen. Auf diese Weise zeigen sie wirklich Mut – in dem sie ihre Hoffnung auf Gesundung aufgeben. Indem sie erkennen: Jetzt kann ich nichts mehr tun. Jetzt kann mir niemand mehr helfen.
„Man braucht Kraft, um das Leiden eines Freundes zu sehen, aber man braucht Mut, um sein eigenes Leid zu fühlen. Man braucht Kraft um zu überleben, aber man braucht Mut zum Leben“ (B. Auerbach) – und noch mehr Mut, um von diesem Leben Abschied zu nehmen.

 

 

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