SWR2 Wort zum Tag

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Der Choreograph Royston Maldoom hat mit Kindern und Jugendlichen aus Berliner Brennpunkt-Schulen ein Ballett einstudiert. Das kann man in dem Film „Rhythm is it“ sehen. Mir war sehr eindrücklich, wie er immer wieder während der Proben zu den ganz ungeübten Jugendlichen gesagt hat: „Focus!“ – Man könnte das je nach Situation übersetzen mit: „Konzentriere dich“ oder: „Sammle alle Energie auf diesen einen Moment“ oder: „Sei ganz dabei“.
„Focus“: Die Jugendlichen müssen das lernen. Sie sind – wie die Erwachsenen auch - oft so abgelenkt, haben so vieles gleichzeitig am Laufen, sind so gefordert von ständigem Wechsel der Angebote. Ihre Aufmerksamkeit springt gelangweilt oder überfordert hin und her vom einen zum anderen: Hausaufgaben, Musikhören, Fernsehen, SMS-schreiben. Doch bei den Proben, von denen der Film erzählt, lernen sie etwas von dem, was Psychologen und Psychotherapeuten mit „Achtsamkeit“ beschreiben. Sie begreifen, was für ein schönes Gefühl das ist, wenn es gelingt, dieses „Focus“: Ganz da sein im gegenwärtigen Moment.
Es gibt ein biblisches Wort, in dem viel von dieser Haltung der Achtsamkeit mitschwingt. Das hebräische Wort heißt „shomer“, man könnte es übersetzen mit: Achtgeben, Behüten, Beschützen. Vielleicht klingt manchen dabei Mendelssohns Vertonung im Ohr: „Denn Gott hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen …“ (Ps.91,10f)

Der Gedanke von Gott, der auf die Menschenkinder achtgibt und sie behütet, ist eine sehr tröstliche Vorstellung. In der biblischen Welt gibt es dazu ganz konkrete Bilder. Der behütende Gott ist vergleichbar einem, der auf seine Herde acht gibt, oder einem, der seinen Olivenhain beschützt.
Etwas hüten und darauf achtgeben heißt aber auch, es im Gedächtnis zu behalten. Gott behält seine Menschen im Gedächtnis und in Gedanken. Und genauso sollen die Menschen Gott und Gottes Worte und Gebote erinnern und verinnerlichen. Sie sollen sich ihrer bewusst sein, damit sie auf das achten, was sie tun. Denn wenn ich weiß, dass ich geachtet und beachtet werde, kann ich darauf antworten. Aus dem von Gott behüteten und beachteten Menschen wird einer, der seine Achtsamkeit anderen schenkt und tut, was zu tun ist.
Achtsam-Leben ist nicht selbstbezogen. Im Gegenteil: Wer achtsam ist, ist ganz bei sich, gibt Acht auf den Moment und auf den Anderen. Wie die Jugendlichen, die tanzen lernen. Was für schöne Momente das sind, wo das gelingt.

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