SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich hab hier den ganzen Tag geschuftet und gerackert. Und der macht sich einen lauen Job. Und kriegt dasselbe. Wie ungerecht ist das denn?“
Ich kann schon verstehen, dass sich die Arbeiter beschweren: Früh am Morgen haben sie schon angefangen zu ackern. Als Tagelöhner. Wie heute vielleicht die polnischen Spargelstecher. Andere sind erst mittags dazugekommen. Und die letzten Kollegen fangen erst eine Stunde vor Feierabend an. Und dann bekommen alle dasselbe. Den gleichen Lohn. Einen Denar. So viel, wie eine Familie für einen Tag zum Leben braucht.
Jesus erzählt diese Geschichte. Und natürlich. Jeder, der den ganzen Tag ackert, kann dem Unmut der fleißigen Ganztagsarbeiter nur zustimmen.
Erst auf den zweiten Blick bemerke ich: Ein Denar ist tatsächlich nur ein Tageslohn. Das Geld reicht zum Überleben für diesen einen Tag. Bekommt man weniger, geht man am Abend hungrig ins Bett.
Jesus will mit dieser Geschichte unseren Blickwinkel verändern. Gerechtigkeit ist nicht das, wenn jeder leistungsgerecht entlohnt wird. Gerechtigkeit ist, wenn jeder bekommt, was er zum Leben – zum Überleben braucht. Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf. Mindestens.
Bei uns in Deutschland gibt es soziale Sicherungssysteme. Die sollen dafür sorgen, dass jeder bekommt, was er zum Leben braucht. In anderen Ländern sieht das anders aus.
Millionen Menschen bleiben hungrig, sogar wenn sie den ganzen Tag arbeiten. Millionen Menschen erhalten nicht den Tageslohn, den sie zum Leben brauchen. Jesus will, dass wir einen Blick haben für die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Bevor wir auf die Leistung schauen, braucht erst mal jeder, was er oder sie zum Leben braucht. Eine soziale Welt. Das wäre das Gebot der Stunde. Die Geschichte von Jesus ist noch immer brisant.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19852
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