SWR4 Abendgedanken

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Anlässlich des Evangelischen Kirchentags in Stuttgart ein katholisch-geschwisterlicher Gruß. - Mein Studienkollege Franz Posset aus früheren Tübinger Tagen lebt in den USA. Im Rahmen der internationalen Lutherforschung hat er jetzt ein Buch herausgebracht mit neuen Erkenntnissen. Der Titel: „Unser Martin – Martin Luther aus der Sicht katholischer Sympathisanten.“ 

Bereits dieser Titel verrät, dass es in der frühen Reformationszeit Theologen gegeben hat, die Luthers Anliegen erkannt und geteilt haben. Die sich aber dennoch nicht veranlasst sahen, die „Fronten“ zu wechseln. In dem Buch kommen führende Geistliche zu Wort, die als frühe Freunde Luthers bekannt geworden sind. Alle aus dem Bereich der damals weltoffenen Stadt und Diözese Augsburg. Darüberhinaus hat Martin Luther über lange Zeit zahlreiche Sympathisanten aus allen kirchlichen Kreisen Deutschlands gehabt. 

Es ging ihnen um eine Reform der Seelsorge, die im Argen lag, und um eine glaubwürdige Predigt, die dem Evangelium Jesu entspricht. Luther und andere seiner Zeitgenossen sorgten sich um die ursprüngliche Bedeutung der Bibel. Es lag ihnen am Herzen, dass die „evangelische Wahrheit“ verkündigt wird. „Evangelisch“ wurde in der frühen Reformationszeit nicht als „protestantisch“ verstanden, sondern als „dem Evangelium gemäß“. 

Der Mönch und Professor Luther aus Wittenberg stand also mit seinen Problemen nicht alleine. Es hat durchaus katholisch gebliebene Freunde Luthers gegeben, die ihn wohlwollend-kritisch begleitet haben. Auch Luthers ehemaliger Ordensvorgesetzter, Johann von Staupitz, ist ihm ein Leben lang verbunden geblieben. Man musste also nicht „Lutheraner“ sein oder „Protestant“ werden, um für die Verkündigung der „evangelischen - der dem Evangelium gemäßen Wahrheit“ einzutreten. 

Das Motto des „Evangelischen Kirchentags heißt: „Auf dass wir klug werden“. Ich finde die Erkenntnisse meines früheren Studienkollegen spannend. Und ich bin jetzt „klüger“ geworden. – Der „ursprüngliche Luther“ und die frühe Reformation – das scheint eine besondere, weithin noch wenig bekannte Zeit gewesen zu sein. An eine offizielle Trennung des westlichen Christentums in Konfessionen dachte man damals offensichtlich noch nicht. Martin Luthers katholische Sympathisanten sahen sich eher an einer „evangelischen“ Bewegung beteiligt, die sich dem Evangelium verpflichtet fühlte, die aber noch nicht „protestantisch“ war.

  

Franz Posset, Unser Martin – Martin Luther

aus der Sicht katholischer Sympathisanten,

Reformationsgeschichtliche Studien und Texte

Band 161, Aschendorff Verlag Münster 2015

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19839
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