Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 2 für Sie.“
Ein Einkaufswagen schießt an mir vorbei. Bevor ich überlegt habe, ob es sich lohnt, ist es schon zu spät. Die anderen Kunden waren wieder schneller. Kasse 2 ist genauso voll wie Kasse 1 und es lohnt sich nicht mehr, die Reihe zu wechseln.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich ärgere mich bei sowas immer. Ich denke: Du bist zu langsam. Zu langsam im Kopf und zu langsam in den Beinen.
Carpe Diem! Heißt es doch immer. Nutze den Tag. Gammel nicht an der Kasse rum, sondern tu was Sinnvolles, mach was aus deiner Zeit, sie ist kurz genug. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!
Aber das Ärgern nützt ja nichts. Da muss ich durch. Schon vor 3000 Jahren haben sich die Leute das gesagt – also das mit dem Ärgern:
„Lass dich nicht aus der Ruhe bringen; nur Narren ärgern sich über alles.“ (Koh 7,9) steht in der Bibel.
Ich versuche es. Ich stelle das Ärgern ein. Die fünf Minuten, die ich an Kasse 1 noch warten muss, was sind die schon? Sie sind ein Geschenk. Wie meine ganze Lebenszeit. Daran glaube ich jedenfalls und erinnere mich. Gott hat mir diese Zeit geschenkt.
Deshalb habe ich auch Zeit. Die verdanke ich Gott. Er hat mich in die Zeit gerufen und zu ihm werde ich zurückkehren, wenn meine Zeit um ist. Ich atme durch und versuche meinen Glauben in die Tat umzusetzen. Hier in der Schlange vor Kasse 1.
Und da sehe ich vor mir ein kleines Mädchen im Einkaufswagen. Die Mutter sieht ein bisschen gestresst aus. Aber das Mädchen grinst mich an. Es lässt sich nicht von der Hektik im Laden anstecken. Es macht einfach das Beste aus der Situation. Wenn seine Mutter gerade im Stress ist, dann sucht sie eben jemand, der es nicht ist. Und jetzt hat sie mich gefunden.
Ich winke ihr zu und sie winkt zurück. Das zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Gut, dass ich Zeit habe. Gut, dass ich nicht an Kasse 2 stehe. 

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