SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Geht es aufwärts mit der Menschheit? Glauben Sie an den stetigen Fortschritt der Geschichte? Lange war ich optimistisch: Ja, es geht aufwärts. Wir lernen aus den humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Aus Gewalterfahrungen und Leid. Inzwischen bin ich nicht mehr fortschrittsgläubig. Vielleicht waren wir nach dem 2. Weltkrieg nur so optimistisch, weil wir auf der Sonnenseite der Geschichte sind. Ihre Schatten verdrängt haben:
Aber das geht nicht: Die Welt scheint doch eher aus den Fugen. In Osteuropa. Und jeder Flüchtling, der zu uns kommt, ein Schrei, wie humanitärer Fortschritt gescheitert ist. Und auch für viele arme Kinder und Alte bei uns ist eine bessere Welt weit weg.
Ich verstehe darum heute, warum Jesus so ein böses Gleichnis auf die Geschichte der Menschheit erzählt hat. Er sieht nicht ihre Sonnenseite. Er sieht sie aus der Perspektive der Armen, Rechtlosen und Gottes.
Jesus vergleicht die Erde mit einem fruchtbaren Weinberg.

Der Besitzer - für Jesus ist das Gott - legt ihn an und umfriedet ihn. Dann verpachtet er den Weinberg und geht auf Reisen.
Nach einiger Zeit schickt der Besitzer einen Mitarbeiter zu den Pächtern. Er soll seinen Anteil vom Ertrag des Weinbergs holen. Aber die Pächter verprügeln ihn und jagen ihn davon.
Den nächsten Mitarbeiter schlagen sie blutig. Der Besitzer schickt noch einen, den töten sie.
Jesus erzählt die Geschichte der Menschheit als Katastrophe fortwährender Gewalt.
Zuletzt, und darin gipfelt Jesu Geschichtsgleichnis, schickt der Weinbergbesitzer seinen Sohn. Er hofft: 'Vor ihm werden sie Respekt haben.' Aber die Pächter sagen sich: 'Er ist der Erbe. Wir töten ihn, dann gehört der Weinberg uns.'
Illusionslos ist Jesu Blick auf die Gewaltgeschichte der Menschheit. Aus Jesu Sicht haben die, denen Gott die Erde anvertraut hat, sie geraubt. Ihre Gier hat die Welt nicht besser gemacht. Und ich weiß, wir im reichen Westen haben solche Pächtermentalität.

Man muss aber nicht resignieren, wenn der Glaube an den Fortschritt der Geschichte so zerbricht. Christen schon gar nicht. Man kann anders leben denn als gierige Pächter. Sanft- Mütig.
„Selig sind die Sanft-Mütigen, sagt Jesus, denn sie werden das Land erben.“
Auf Menschen mit sanftem Mut liegt Segen. Sie können Gewalt unterbrechen. Sanfter Mut für Arme. Für Menschen, die vor Gewalt flüchten. Damit es für die auf den Schattenseiten der Geschichte heller wird. Kann sein, dass aus der Menschheitsgeschichte auch so kein steter Fortschritt wird. Aber für Jesus und Gott zählt jeder einzelne, dem wir mutig, beharrlich  zur Seite stehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19409
weiterlesen...