Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Das Jesuskind in der Krippe ist für Weihnachten unverzichtbar. Der Stall mit Hirten, Engeln und heiliger Familie wird bei vielen Feiern im Mittelpunkt stehen. Ob wertvolle Holzschnitzerei oder industrielle Massenware, die Darstellung der Geburt Christi wird erneut Herzen anrühren und Kinder wie Erwachsene in ihren Bann schlagen.

Und zugleich werden sich wieder Stimmen erheben, die den Bericht von der Geburt Jesu  ins Reich der Legende verweisen: Die Engel am Himmel, die Hirten auf dem Feld und das Kind im Stall – alles nur Mythos, nachträglich erfunden und erdichtet. Oder?
Theologen und Historiker können dazu sicher viel sagen. Mich überzeugt ein Aussage des evangelischen Theologen Karl Barth: Die Krippe am Anfang und das Kreuz am Ende, das ist nicht der Stoff, aus dem Legenden sind. Und in der Tat: Wo die Phantasie wuchert und die Legende vergoldet, da geht es meist um prächtige Paläste, nicht um dürftige Krippen. Da werden Kinder nicht in Windeln gewickelt, sondern in Seide gekleidet. Das Kreuz am Ende und die Krippe am Anfang des Lebens Jesu stehen eher für einen harten Realismus.-
Armut und Enge muss niemand erfinden. Auch hinter der romantischsten Krippendarstellung steckt vermutlich eine historische Erinnerung, die noch ahnt, dass es einen kleinen, bescheidenen Anfang gab. Nicht die phantastische Geburt des Weltenherrschers, sondern enge Verhältnisse kleiner Leute, nahe bei den einfachen Menschen – das sind die Umstände, die sich eingeprägt haben. Und eine Krippe als Ersatz für eine Wiege - das ist dann nicht legendär, sondern praktisch.
Und niemand weiß es besser, niemand kann ein historisch eindeutiges Bild von der Geburt Christi zeichnen. Dann kann ich auch beim biblischen Bericht und der handfesten Krippe bleiben.
Deshalb werde ich an Weihnachten ohne historische Skrupel zur Krippe meiner Pfarrkirche gehen und mir das Bild erneut einprägen. Denn wichtiger als ein Foto von der Geburt Christi, das vielleicht alle Zweifel beseitigen könnte, ist das Bild, das diese Szene in meinem Herzen aufsteigen lässt: Gott ist in aller Bescheidenheit Mensch geworden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19040
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