SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Was bringt die Festzeit? Geschenke – Besuche – eine Reise?
Der Advent ist auch eine Zeit gespannter Erwartung.
Angespannt und quälend wird sie – wenn die Hoffnung auf ein Wiedersehen oder Wiederhören ungewiss ist.  Wie schmerzt das – wenn ein Kontakt ausbleibt – seit Monaten – womöglich seit Jahren?
Funkstille. Lange schon kein Brief. Kein Anruf. Kein Besuch.
Wie ging es wohl dem Vater – im Gleichnis vom verlorenen Sohn, das Jesus erzählt. - Jahr für Jahr – ohne ein Lebenszeichen? Der junge Mann ließ sich sein Erbe auszahlen, ging fort – und ward nicht mehr gesehen.
Wie schwer, wie schmerzhaft ist das für alle, die so eine Funkstille aushalten müssen. Jahre, manche Jahrzehnte.
Trauer und Wut, Schuldgefühle und Selbstzweifel überkommen einen.
Die Autorin Tina Soliman* hat sich aufgemacht und ist dem nachgegangen – wie das Betroffene erleben – und wie sie damit leben. Wie das Menschen vor den Kopf stößt, wenn andere den Kontakt abbrechen – von jetzt auf nachher. Manche ohne jede Ankündigung. Funkstille - ohne ersichtlichen Grund.
Was habe ich bloß falsch gemacht, versäumt?
Der Vater - im Gleichnis von Jesus – hatte sich – so weit wir erfahren, nichts zuschulden kommen lassen. Und der Sohn geht – ohne jeden Vorwurf.
Er bricht den Kontakt ab und geht in die Ferne. Auf – und davon.
Tina Soliman geht in ihrem Buch nicht nur dem Empfinden der Verlassenen nach. Sie versucht, die Flüchtlinge, die Kontaktabbrecher zu verstehen: Warum sie gegangen sind, warum sie gehen mussten – und was so eine Funkstille bedeuten kann. Vielleicht ist es kein endgültiger Abbruch, sondern mehr wie eine Pausentaste: Jetzt nicht, jetzt geht es nicht mehr. Und: Jetzt geht es noch nicht wieder. Ich brauche (m)einen Schutzraum, ich muss abtauchen, damit ich raus bekomme, was ich will und brauche. Ich will erst einmal selbstständig sein. Und: Ich will ein wirkliches Gegenüber sein – auf Augenhöhe.
Der Sohn im Gleichnis von Jesus kommt zurück – plötzlich – und erlebt gegen alle seine Erwartungen – einen himmlischen Vater, der ihn umarmt und für den Rückkehrer ein Fest feiert.
Es kann auch ganz anders kommen: Wiedersehen, Versöhnung - und dann eigene, getrennte Wege – mit einem Abstand, den es braucht.
Gut, wenn einer den ersten Schritt macht.
Ein Brief, eine Einladung, ein Anruf. Einen Versuch ist es wert.
Und wenn die Funkstille anhält ? Dann ist es noch nicht so weit.
Dann braucht es noch Zeit.

 *Tina Soliman, Funkstille?, Wenn Menschen den Kontakt abbrechen, 2011?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18826
weiterlesen...