SWR2 Wort zum Tag

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Gehen Sie manchmal auf Schnäppchenjagd?
Vor Weihnachten gibt es einige Gelegenheit dazu. Anbieter versprechen „festliche Rabatte“. Nach Weihnachten noch mehr. Dann übertreffen sich Geschäfte gegenseitig mit Anzeigen, Auslagen und Prospekten: Sonderangebote, Aus- und  Schlussverkauf.
Mir ist nicht wohl dabei. Ich frage mich immer  wieder:
Was ist eigentlich ein Schnäppchen?
Inwiefern schnappe ich zu?
Und wem schnappe ich etwas weg?
Einem anderen Kunden?
Oder dem Geschäft? Dem Inhaber?
Ich weiß wohl: Es gibt »Dumpingpreise«, Preise für Waren unter dem Einkaufspreis, mitunter unter den Herstellungskosten.
Diese Preise sollen mich als Kunden locken, in der Hoffnung, ich kaufe andere Produkte, an denen dann etwas verdient wird.
Bin ich hoffnungslos romantisch – wenn ich mir faire Preise wünsche?
Faire Preise für wen?
Für die Produzenten von Milch, wenn Handelsketten die Preise diktieren?
Für die Arbeit von Mädchen in Bangla Desh, die für Textilgroßhändler schuften?
Kaffee und Tee werden bei uns seit Jahren fair gehandelt.
Kirchliche Initiativgruppen unterstützen das.
Damit Plantagenarbeiter und Händler davon leben können.
Also, so ganz aus der Welt sind fairer Handel und faire Preise nicht.
Vielleicht bin ich dafür besonders sensibel, weil mein Vater Kaufmann war – und der litt unter dem ständigen Preiskampf, wenn Umsatz zeitweise nur noch gemacht wird, damit die Beschäftigten etwas zu tun haben.
Der Prophet Jeremia klagte einst an:
Denn sie gieren alle, Klein und Groß, nach unrechtem Gewinn... (Jeremia 6,13)
Ich denke manchmal: Auch sogenannte »Schnäppchen« regen meine Gier an.
Und ziehen mich hinein in das Spiel: Wie kann ich ultragünstig zu etwas kommen, wofür andere hart arbeiten müssen – Hersteller wie Händler. Anders gesagt: Ich schnappe ihnen etwas weg, von ihrem Verdienst. Ich übervorteile die andere Seite, schlage meinen Profit daraus, und fühle mich dann als Käufer ein wenig wie ein Sieger im Verteilungskampf.
Mein Vater hielt die Vorstellung eines ehrbaren Kaufmanns hoch. Wie wäre das: neben dem ehrbarer Kaufmann ein ehrbarer Käufer. Das hieße für mich: Ich setze das, was ich kaufe – in Vergleich zu dem, was ich für meine Arbeit bekomme. Es könnte sein, das dämpft meine Schnäppchenjagd.
Könnte sein, so entsteht ein Maß für einen fairen Deal.
Und das hat einiges mit dem Fest zu tun, bei dem es um Leibe und Gerechtigkeit geht.
Das passt zu Advent und Weihnachten - finde ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18825
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