SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Im Augenblick leben, das hört sich gut an. Ich denke an Sonnenuntergänge am Meer oder an den Blick vom Gipfel eines Berges. An intensive Situationen also. Das „im Augenblick“ lese ich immer wieder in Lebensratgebern. Wenn es darum geht sich zu entschleunigen, bewusster zu leben. Das hört sich auch ganz gut an, aber wie soll das denn gehen, wenn ich nicht gerade auf dem Gipfel eines Berges oder am Strand sitze? Und wo ein Augenblick doch so kurz ist. Kurz, ja, ich denke das mit der Kürze des Augenblicks ist ein gutes Stichwort dafür, worum es beim „im Augenblick leben“ geht. Genau eben diesen kurzen Moment zu dehnen. Die Aneinanderreihung von vielen kurzen Momenten unterbrechen. Indem ich mich, die Welt, mein Leben bewusster wahrnehme. Schon beim Aufstehen: Wie gehe ich in den Tag? Der erste Blick in den Spiegel, der erste Schluck Kaffee oder Tee. Nicht sklavisch, mich nicht zum bewussten Wahrnehmen zwingen, es aber immer mal wieder tun. Und spüren, dass ich lebe, wie ich lebe. Den ersten Menschen, den ich am Tag sehe, wirklich sehen, wahrnehmen. Die Natur hören, sehen, riechen. Das Essen und Trinken schmecken. Den Alltag immer wieder unterbrechen und eine Pause machen. Und mit dieser Pause den Augenblick lang werden lassen, die Zeit dehnen. Oder auch, wenn mir der Alltag eher grau und langweilig ist – raus gehen, was Anderes, Neues machen, ihn bunt und lebendiger werden lassen. Mir hilft immer wieder die Natur und die Bewegung. Oder mich in eine Kirche setzen. Allein,  mitten im Alltag oder am Sonntag im Gottesdienst. Religion ist ein hervorragender Zeitdehner. Genauso Menschen. Wenn ich mich ganz auf sie einlassen kann, wenn ich Zeit und Kraft habe ihnen zuzuhören, sie zu sehen, sie zu spüren. Dann steht die zu oft rasende Zeit immer mal wieder still. Und der so kurze Augenblick wird ewig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17498
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