SWR2 Wort zum Tag

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Jahr für Jahr gibt es vor Maria Himmelfahrt in Bamberg eine besondere Prozession. Die Madonna aus der oberen Pfarre, eine lebenssatte Muttergestalt aus der Spätgotik, wird von ausgewählten Männern auf Schultern getragen und macht sich auf den Weg in die Unterstadt. Dort residiert eine gotische Pieta, eine Schmerzensmutter, der das Elend der Welt und das eigene Leid ins Gesicht geschrieben sind. Todtraurig hat sie den Leichnam ihres gekreuzigten Sohnes auf dem Schoß. Im Höhepunkt der Prozession begegnen sich die glorreiche Mutter von der Oberen Pfarre und die schmerzhafte von der Unteren Pfarre: Glück und Elend, Schönheit und Gewalt begegnen sich in Gestalt dieser beiden Figuren, sie begrüßen sich und zeigen damit Eines: Selbst das schönste Leben ist nicht nur schön, oft genug sieht es grauenvoll in der Welt aus, bitter werden Menschen verletzt und verletzen andere. Maria, die Mutter Jesu, steht anwaltlich für beide Seiten des Lebens im Lichte des österlichen Glaubens. Glorreich ist die Mutter Jesu, weil sie Anteil hat am schließlich gelungenen Weg ihres Sohnes, Anteil am göttlichen Leben und am Sieg über Tod und Elend. Schmerzhaft steht dieselbe Frau im Blick als  bitter Betroffene, als  Mitleidende, die die Not Gottes und der Welt austrägt.. In der Pieta fanden und finden Generationen von Menschen ihre eigene Not ausgedrückt, und Gott an ihrer Seite im Gemarterten aus Nazaret.

Maria steht also für den glaubenden Menschen schlechthin: Sie bekommt die ganze Lust und Last des Lebens zu spüren, die ganze Lust und Last des Glaubens: Karfreitag und Ostern. Von den Glaubenden, die die Prozession mitgehen, wird sie als mütterliche Anwältin gesehen –  als Trösterin der Betrübten, als ausstrahlende Gottesmutter im Lichtglanz Gottes, in der Aura des österlichen Gelingens.

Alle Wallfahrtsorte, die Maria geweiht sind, konzentrieren sich auf diese Mitte des Glaubens: Maria zeigt, wer Jesus ist und wie Christsein geht..  Christen beten Maria nicht an, Anbetung gehört Gott allein. Aber sie verehren die Mutter Jesu als Vorbild und Beispiel, als Fürsprecherin und Mittlerin: In Ihr kommt ans Licht, was christlich zentral ist: die Empfänglichkeit für Gottes Wirken, der Mut, ihn in den Alltag herein zu lassen, die Kunst, sich von Gottes Wort und Willen bestimmen zu lassen – an guten und an bösen Tagen,  im Gelingen und Scheitern, in allem. Deshalb das uralte Sehnsuchtslied der Christenheit, das Salve Regina: „Gegrüßet seist du Königin, Mutter der Barmherzigkeit...“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17494
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