SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Der hat angefangen!“ So hat es ein kleines Kerlchen empört gesagt, als ich zwei Streithähne auf dem Schulhof voneinander getrennt habe. Am liebsten hätte er gleich weitergeprügelt.
„Der hat angefangen!“ Wir Erwachsenen würden es vermutlich anders ausdrücken, aber an sich kommt mir das schon bekannt vor. Ich ertappe mich selbst dabei.
„Soll der sich erstmal entschuldigen…“ „Bevor die sich nicht anders aufführt…“ Solange rühre ich mich nicht vom Fleck. Der hat ja angefangen. Nicht ich.
Dann sitze ich schmollend in der Ecke und warte, dass sich um mich herum etwas ändert. Bis es so weit ist, tu ich erstmal gar nichts.
Ich glaube, genau das ist der Haken, wenn man nur darauf schaut, wer angefangen hat. Dann kann eigentlich auch nur derjenige etwas an der Situation ändern. Und allen anderen tun nichts. Sie warten ja, bis der sich rührt, der angefangen hat.
Viel spannender finde ich deshalb die Frage: wer hört auf?
Wer findet sich nicht damit ab, dass es jetzt so ist, wie es ist, bloß weil jemand damit angefangen hat? Wer nimmt selbst das Heft in die Hand und traut sich, etwas anders zu machen?
Die Bibel ermutigt dazu und mutet es uns zu. Da heißt es: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem… Überwinde das Böse mit Gutem.“
Wenn ich das höre, denke ich schon: „Na, komme ich dann nicht zu kurz?“ Andererseits finde ich diesen Gedanken stark, dass mir gesagt wird: „Mach was! Mach was Neues!“
Jesus hat das vorgelebt. Er macht mir Mut, anders zu leben. Eben nicht im alten Trott zu versumpfen. Er macht mir Mut, den ersten Schritt zu wagen, die Hand zur Versöhnung zu reichen, nicht zurückzugiften.
Und ich merke: wenn ich so im Streit einen Schritt zur Seite gehe, dann ist wieder Raum da. Raum, in dem mehrere Leute atmen und leben können.
Leicht klingt das nicht. Wirklich nicht. Aber es klingt nach einem Weg, der Türen weit aufmacht. Türen, durch die Menschen durchgehen können. Ich auch.

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