SWR2 Wort zum Tag

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Ein Theologe hat vorgeschlagen, das Glaubensbekenntnis um einen Satz zu ergänzen.
„... und ich glaube die Heilung der Kränkungen ...“ Um diese Worte möchte ein Theologe das Apostolische Glaubensbekenntnis ergänzen. An Kränkungen besteht kein Mangel: Als ich wieder einmal nicht ernst genommen wurde. Als ein unbedachtes Wort einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat. Wenn Menschen lieblos ausgegrenzt werden. Um solche, aber eigentlich noch um viel schwerere Kränkungen soll es in diesem Vorschlag gehen.
Ich finde die Idee faszinierend. Da, wo es heißt: „Ich glaube die Vergebung der Sünden ...“ soll der Text also weiter lauten: „... und die Heilung der Kränkungen ...“ Die Logik, die dahinter steckt, ist einfach: Wer nur die Vergebung der Sünden glaubt, hat nur die im Blick, die für diese Sünden verantwortlich sind. Gewissermaßen die Täter. Aber eben nicht die, die zum Opfer dieser Sünden geworden sind. Anders gesagt: Es reicht nicht, wenn ein Mensch meint, er sei mit seinem Gott irgendwie schon wieder im Reinen. Und der, der unter ihm zu leiden hatte, muss selber sehen, wie er damit zu Recht kommt. Darum freut es mich jedes Mal, wenn es Menschen gelingt, sich zu versöhnen. Dazu braucht es Einsicht und guten Willen. Aber häufig auch Gottes Geist der Versöhnung.
Zwei Beispiele möchte ich nennen. Das erste stammt aus dem Strafvollzug: Wenn ein Täter in direktem Kontakt mit dem von ihm geschädigten Menschen kommt, wird er offener für die Einsicht in das, was er falsch gemacht hat. Und er findet leichter zu einem Gefühl der Reue. Das andere Beispiel: In Südafrika haben die Menschen in der Mitte der 90er Jahre nach dem Ende der Apartheid Wahrheitskommissionen eingerichtet. Gegenüber gesessen sind sich dort diejenigen, die die Rassentrennung mit Gewalt durchgesetzt haben. Und diejenigen, die diese gezeichnet von ihren Verletzungen überlebt haben. Oder deren Angehörige. Viele schwere, aber auch viele erfolgreiche Wege der Versöhnung haben Menschen dort miteinander gehen können. So konnte verhindert werden, dass die große Zahl der Verfehlungen und Verletzungen zu neuer Gewalt führt.
Ich denke: Um der Heilung der Kränkungen eine Chance zu geben, muss eigentlich gar nicht das Glaubensbekenntnis ergänzt werden. Da genügt es, wenn ich diesen Satz künftig einfach unausgesprochen mitdenke. Und meinen Beitrag zur Heilung der Kränkungen leiste.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16966
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