SWR2 Wort zum Tag

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Der Schriftsteller Arnold Stadler ist Autor vieler Gedichte und Romane. 1954 wurde er in Meßkirch geboren. Im Jahr 1999 veröffentlichte er eine Übersetzung biblischer Psalmen aus dem Hebräischen ins Deutsche und schrieb dazu ein ausführliches Vor- und Nachwort.
Im Vorwort spricht er davon, warum ihm die Psalmen der Bibel im Laufe seines Lebens so wichtig geworden sind. Er erzählt aus seiner Kindheit, als er den Pfarrer seiner Heimatgemeinde bei Beerdigungen auf den Friedhof begleitete und dieser dort das ‚De profundis’ sprach, den Psalm 130 ‚Aus der Tiefe, o Herr, rufe ich zu dir, höre meine Stimme. Meine Seele hofft auf sein Wort. Meine Seele erwartet den Herrn mehr als die Wächter das Morgenrot.’ „Es war das erste Mal in meinem Leben“ – sagt Arnold Stadler im Rückblick – „dass ich auf die Schönheit der Sprache stieß“. ... „Ich vernahm, dass es einen Gott gibt, der ansprechbar war, wenn auch aus der Tiefe. So bekam ich gesagt, was für ein Mensch der Mensch ist und wie vergänglich er ist, einmalig und vergänglich. Gott: zwar ansprechbar, doch aus der Tiefe. ... Es war eine Sehnsucht, die hier Sprache wurde, glaube ich.“ (Arnold Stadler, „Die Menschen lügen. Alle“, Frankfurt 1999, 10f)
„Die Psalmen sind keine klassizistischen Gebilde“, sagt Stadler dann im Nachwort seines Buches. „Sie orientieren sich ... am Herzen (des Menschen), eines aufgewühlten oder begeisterten, enthusiastischen oder deprimierten, hilflosen oder dankbaren, immer aber: (am Herzen des ) Menschen, der nach Worten sucht und sie (meist) findet. So sind die Psalmen, ohne dass ihre Verfasser es wollten, ‚modern’ ... Sie sprechen uns unmittelbar an. ... Der ‚Gesprächspartner’ der Psalmen ist Gott, der Ewige, in seiner Herrlichkeit. Dem Menschen in den Psalmen bleibt fast nichts, als zu staunen, dass es einen Gott gibt, der so etwas wie den Menschen geschaffen hat. ... diesen Gott zu rühmen oder – sich zu ihm fliehend – zu klagen. ... Die Psalmen sind nicht glatt oder handlich. ... Sie lullen nicht ein, sondern rühren auf.“ (ebd.,113ff)
Gott ist ansprechbar, wenn auch aus der Tiefe. Der Mensch einmalig und vergänglich. Das hörte Arnold Stadler als Jugendlicher bei Beerdigungen auf dem Friedhof, wenn der Pfarrer den 130. Psalm sprach. Als Erwachsener bringt er selbst die Sehnsucht, die aus diesem Psalm spricht, in die folgenden Worte:
Herr, kannst du mich hören?
Höre mich! ...
Du bist doch einer,
der Mitleid hat und verzeiht!
Einer, der will, dass der Mensch immer wieder
auf die Füße kommt, aufsteht und ein Mensch ist.
Ich hoffe auf dich! ...
alles an mir hofft.

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