SWR1 Begegnungen

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Jeder kann malen – Irgendwann kommt der göttliche Funke!

Petra Stüber ist Künstlerin, Malerin von Beruf. Einmal im Jahr, im Advent, lädt sie die Heidesheimer ein, mitzumalen. So entsteht ein Adventskalender mit Bildern, die auf Acryl gemalt die Fenster am Heidesheimer Pfarrhaus schmücken. Tag für Tag wird ein Fenster geöffnet. Brauchen da die großen und kleinen Künstler eine schöpferische Eingebung von oben?

Ist es ja gerade, deswegen macht man das ja. Weil während man arbeitet, kommt das ganz plötzlich, ist aber auch schnell wieder  weg, und deswegen machen die Leute das auch, weil sie wissen, irgendwann kommt der Heilige Geist, oder der göttliche Funke, oder was auch immer, und dann ist die Lösung da für das, auf was man wartet. Aber es kommt was ganz Unerwartetes, was dann das Bild zum Leben bringt.

.Tag für Tag im Advent kommen die Heidesheimer am frühen Abend zum Pfarrhaus, um einen Adventskalender der eigenen Art zu bestaunen. 24 Künstler haben sich adventliche und weihnachtliche Motive ausgesucht und auf Acryl gezaubert. Die Bilder sind 50 auf 60 cm groß und werden von hinten angestrahlt. Einstimmung auf Weihnachten, gemeinsam. Im ersten Jahr wurden die Bilder jeweils Zuhause gemalt, seit 2010 ist das anders.

Ich hatte die Idee, dass man gemeinsam malt, nicht jeder für sich, in seinem stillen Kämmerlein, sondern gemeinsam an einem Ort, und dass jeder auch mitmalen kann, nicht nur die, die denken, ich kann das gut, sondern ein Aufruf an alle, die in der Verbandsgemeinde wohnen, Heidesheim und Wackernheim, mitzumalen.

An zwei Abenden Ende November treffen sich jeweils 12 Mitglieder der Gemeinde im Gemeindezentrum , um den Heidesheimer Adventskalender zu gestalten. In diesem Jahr waren Adventsmotive gefragt. Josef und Elisabeth, die Hirten und die Esel, Johannes der Täufer und der Heilige Nikolaus – sie wurden auf DIN A 2-große Plakate gebannt.

Da ist auch so ein kleiner Gruppendruck natürlich, da sitzt man neben einer 11-Jährigen, die das ratzfatz macht, und es regt natürlich an, sich jetzt anzustrengen und das auch zu können,  und andererseits sitzt die 11-Jährige neben ner 50-Jährigen, die ihr ganzes Leben gearbeitet hat und Aufträge erfüllt hat, perfekt und pingelig, und geht auch entsprechend an ihr Bild ran.

Einige kommen schon seit Jahren, doch immer wieder gibt es Neuzugänge, die ein Bild zum Heidesheimer Adventskalender beitragen wollen. Dann trifft sich die Gemeinde am frühen Abend, und das jeweils jüngste Kind darf das Fenster am Pfarrhaus öffnen. Es werden biblische Texte verlesen, das Bild wird erklärt, es wird gesungen und es gibt Glühwein und Kinderpunsch. Petra Stüber freut sich mit den Künstlern.

Das ist ja auch das Spannende, da werden nicht Klischees oder Bilder, die man kennt, gemalt, sondern das, was Derjenige, der da am Arbeiten ist, was der machen möchte und kann und will.

Petra Stüber möchte mit ihrem Adventskalender Menschen zusammen führen, und sie freut sich Jahr für Jahr, Menschen mit unterschiedlichen Zugängen begeistern zu können.

Homogene Gruppen sind viel schwieriger. Wenn man jetzt nur ältere Leute da sitzen hat, die blockieren sich gegenseitig. Und wenn man nur Kinder da sitzen hat, hat man so ne Schulsituation, und gerade das Gemischte ist das Schöne.

 

Kunst und Religion – das ist mein Ding!

Mit einem strahlenden Lächeln werde ich in das kleine Atelier in Heidesheim geführt. Petra Stüber ist bedächtig und begeistert zugleich. Immer wieder greift sie nach Motiven der Bibel, will so über den Text hinaus für Betrachter ihrer Bilder einen neuen Zugang eröffnen.

 

Ich habe vor Jahren mal einen Bilder-Zyklus gemalt „Frauen der Bibel“, (…) mit Text und bild, das waren alles Zeichnungen, da musste ich natürlich genau lesen, was hat die Esther gesagt, was ist mit der Ruth – da habe ich mich auseinandergesetzt mit der Bibel.

Petra Stüber liebt die „gebrochenen Menschen“ in der Bibel – das spüre ich schnell in unserem Gespräch. Menschen mit einer Geschichte liefern viel Material für eine Künstlerin.

Ich bin ein großer Bibelfan, bin im Bibelkreis, ich les gerne in der Bibel – Hiob zum Beispiel, find ich was ganz Spannendes.

Hiob und sein Protest gegen das Leid, da werde ich als Theologe hellhörig. Ich spüre, dass Petra Stüber den Kleinen, den Unscheinbaren Platz einräumen möchte in ihrer Kunst. Ihre Sensibilität berührt mich während unseres ganzen Gespräches. Sie arbeitet deshalb gerne mit Kindern, aber wenn es sein muss, dann arbeitet sie auch mit jungen Priestern und Diakonen aus dem Mainzer Priesterseminar. Und macht dort ihre eigenen Erfahrungen.

Die kommen in eine ganz andere Dimension. Sobald man mit den Händen arbeitet, schaltet sich der Kopf mal ab und zu aus. Dann kommen die auch in eine andere Bewusstseinsebene, die kommen weg von ihrer Theologie. Da kommt das Handwerkliche dazu. (ab 1’23) Da gibt es ganze andere Verbindungen im Hirn, die da plötzlich aktiviert werden, die sonst eher brach liegen, insofern ist es immer gut, wenn man so was macht.

Für Petra Stüber ist es auch wichtig, dass Menschen ihre gewohnte Umgebung verlassen, wenn sie sich künstlerisch ausdrücken wollen. Sie bietet ein Wochenende unter dem Motto „Malen und wohnen im Kloster“ an. Drei Tage raus aus dem Alltag, eintauchen in die Welt der Bibel.

Kunst und Religion sind zwei Sachen, die mich sehr interessieren, da habe ich einfach Spaß dran, da möchte ich mich eigentlich nur noch mit beschäftigen, das werde ich auch immer mehr machen, wenn ich weniger Schüler habe  - das ist mein Ding! Das ist was ganz Spannendes.

Kunst ist zweckloses Tun, das ist schnell gesagt. Zweckloses tun, in unserer Zeit? Petra Stüber verabschiedet mich mit einem progammatischen Satz:

Weil wir eben in einer Gesellschaft leben, wo alles effektiv sein muss, wo man immer was tun muss, was Sinn macht, und das möglichst gut tun muss und auf ein Ziel hinarbeitet, vergessen die Menschen, je älter sie werden, das sie das auch können. Kunst ist ja nicht zielorientiert. Das Ende ist eigentlich offen, das müssen die Leute dann oft erst mal lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16716
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