SWR2 Wort zum Tag

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Viele Christen klagen heute, dass der Glaube müde wird. Die Kirchen sind leerer, christliches Leben verschwindet aus der Öffentlichkeit. Viele erleben die gegenwärtige Zeit als eine Zeit der Ungewissheit, der Selbstkritik, des Zweifels. Selten freuen sich Menschen am Glauben, so wie er im Alltag gelebt wird. Stattdessen fragen sie ständig danach, wie er anziehender werden kann.

Das Volk Israel kannte diese Selbstzweifel und Klagen, diese Müdigkeit und Ratlosigkeit und auch die Suche danach, wie der Glaube an Gott in Zukunft belebt werden könnte. In diesem Sinne beschreibt der Prophet Jesaia das Empfinden seiner Zeitgenossen: Der Glaube an Gott hat seine Kraft verloren, der Name Gottes seinen Glanz eingebüßt. Im Volk Israel lebt man nicht anders als in den umliegenden Völkern. Lebenssinn und Lebensfreude waren verloren.

Bis hierher können wir uns wiedererkennen. Wie geht die Prophetenrede nun weiter? Jesaia gibt einen erstaunlichen Rat. Er lässt Gott sprechen: Siehe, ich bin hier! Löse ungerechte Fesseln, brich dem Hungrigen dein Brot, führe Arme, Obdachlose in dein Haus, kleide einen Nackten, entziehe dich nicht deinen Brüdern (Vgl. Jes 58) - dann wird dein Dunkel hell wie am Mittag und dein Licht wird aufstrahlen in der Finsternis.

Der Prophet empfiehlt nicht attraktivere Gottesdienste, er spricht nicht davon, den Tempel besser zu schmücken, sagt auch nichts davon, dass Israel die Sprache seiner alten Lieder und Gebete modernisieren soll. Stattdessen spricht er von all den Menschen, die in Israel unter der Last ihrer Armut, ihrer Krankheit oder ihres Fremdseins leiden, die bedrückt sind und in Not, und die keine Hoffnung haben für ihr Leben. All diesen, die am Rand und im Schatten leben, soll Israel sich nähern, soll sich berühren lassen von der Not, soll eintauchen in die Ratlosigkeit derer, die am Leben zweifeln. Denn dann - so der Prophet - wird Israel frei von Selbstzweifel und Klage, und seine Dunkelheit wird Licht. Es sieht die Not, es vergisst sich selber und gibt dadurch seinem Gott Raum, der das Leben aller Menschen will.

Dieser überraschende Wandel durch den Blickwechsel gilt heute genauso wie damals vor mehr als zweieinhalb Tausend Jahren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15927
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