SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Der schönste Tag im Leben sollte es werden. Die Trauung. Doch er fing mit Tränen und hochroten Köpfen an. Eine einzige Häufung von kleinen Katastrophen. Ich habe ihn als Pfarrerin neulich miterlebt, und er hat mir gezeigt, dass Liebe auch scheinbare Katastrophen retten kann.
Aber der Reihe nach. Zuerst kam die junge Frau nicht. Das Problem: Es war kein Parkplatz zu finden. Schließlich war sie da, ein bisschen aufgelöst und bemüht, die Tränen zu unterdrücken, nach endlosen fünfzehn Minuten auch der Vater. Wir konnten beginnen. Beim Ringwechsel dann die nächste Panne: Das Ringkissen fehlte. Zum Glück hatte die Brautmutter wenigstens die Ringe in der Tasche. Aber wohin damit? Nach dem holprigen Anfang nun auch noch das, vor der ganzen Verwandtschaft! Es war alles so schön ausgedacht gewesen. Da hatte die Brautmutter eine großartige Idee: Sie legte die beiden Ringe behutsam auf die Blüten des Brautstraußes und reichte ihn ihr - gab es je ein besseres Ringkissen? Jeder dachte, das muss so sein, so kunstvoll und geschickt war das. So ging doch noch alles gut, wenn auch ein bisschen anders als geplant.
„Liebe verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu." (1.Kor.13,5). Über die berühmten Worte des Paulus hatte ich zuvor gepredigt. In der liebevollen und einfühlsamen Geste der Brautmutter konnte ich sehen, was damit gemeint ist: Sie stellte das junge Paar nicht bloß, sondern sie half ihnen, unbemerkt, ohne viel Aufhebens und ohne sie lächerlich zu machen. Sie half ihnen so, dass sie nicht in Verlegenheit kamen.
So liebevoll helfen gelingt einem nicht immer: Anderen aus der Patsche helfen - ja, klar. Aber man lässt dabei gerne auch mal durchblicken: Ohne mich wäre das wahrscheinlich nicht so gut gegangen.
Als Paulus seine Gedanken über die Liebe an die Gemeinde in Korinth schreibt, hat er keine Hochzeitspaare vor Augen, sondern eine Gemeinschaft von Menschen: die Starken und Schwachen, Geschickten und Unbeholfenen, Umsichtigen und solche, die in den Tag hinein leben. Für dieses Zusammenleben, so sagt er, braucht es Liebe, die andere nicht bloß stellt.
Ich habe das junge Paar gefragt, warum sie ausgerechnet diesen Gedanken aus dem Hohelied der Liebe des Paulus ausgesucht haben. Sie sagten: Weil man wissen muss, was sich gehört. Man muss sich darauf verlassen können: Die Liebe zueinander hat es nicht nötig, sich so darzustellen, dass sie den anderen klein macht und ihn spüren lässt, was ihm nicht gelungen ist oder wie ungeschickt er sich verhält. Denn die
„Liebe verhält sich nicht ungehörig." Liebe macht groß, nicht klein.

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